atmio sorgt durch das Aufspüren von Methanlecks für mehr Klimaschutz
Methan ist bekannt als ein Gas, das starken Einfluss auf den Klimawandel hat. Emittiert wird es vor allem in der Landwirtschaft, berühmt-berüchtigt sind die rülpsenden Kühe. Doch auch undichte Stellen in Erdgas-Anlagen und -Rohrnetzen, an denen Methan austritt, sind Teil des Problems. Das Hamburger Startup atmio hat dafür eine Komplettlösung entwickelt.
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Methan ist um ein zigfaches klimaschädlicher als CO2
Seit dem 5. August 2024 gilt in der EU die Europäische Methanverordnung. Sie verpflichtet Betreiber fossiler Energieinfrastrukturen, Methanemissionen regelmäßig zu messen sowie Leckagen schnell zu beseitigen und das Ablassen und Abfackeln von Gasen zu verringern. Der Grund: Methan gilt als besonders problematisch für das Klima, laut Umwelt Bundesamt ist es langfristig 28-mal schädlicher als CO2. Betrachtet man nur einen Zeitraum von 20 Jahren, erhöht sich der Faktor gar auf 84. Bei Verstößen gegen die Verordnung drohen empfindliche Strafen, beispielsweise eine Geldbuße von bis zu 20 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. In besonders schweren Fällen kann das Unternehmen sogar verpflichtet werden, die Infrastruktur außer Betrieb zu nehmen.
Damit es dazu nicht kommt, hat das Startup atmio eine Komplettlösung entwickelt, die Hard- und Software kombiniert. Hinter atmio stehen zwei Gründer, die reichlich einschlägige Erfahrung mitbringen. Einer von ihnen ist Matthias Schmittmann. Begonnen hat er sein Ingenieursstudium in München, mit einem Master abgeschlossen hat er es an der Technischen Universität (TU) und dem Northern Insititute of Technology Management (NIT) in Hamburg. Ein Grund für den Wechsel war, dass Entrepreneurship an der TU und dem NIT besonders gefördert wird und der Wunsch zu gründen sich früh bei ihm ausgeprägt hatte. Im Rahmen seiner Abschlussarbeit entwickelte er zusammen mit seinem Kommilitonen Johannes Weber einen Businessplan, der nicht nur Theorie bleiben sollte.
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Vom Startup zum Teil eines Weltkonzerns
2013 entstand daraus nämlich das Startup bentekk, das mit einem Gasmessgerät schnell für Aufmerksamkeit sorgte. Das tragbare Gerät kann krebserregende Stoffe in der Atemluft aufspüren und wird unter anderem in der Öl- und Chemieindustrie verwendet. Der Exit, also der Verkauf des Unternehmens an ein anderes Unternehmen, gehörte zum Plan von bentekk und mit Dräger, einem führenden Anbieter von Medizin- und Sicherheitstechnik, fand sich ein geeigneter Kandidat. Anfang 2017 übernahm Dräger zunächst 51 % des Startups. Die Gründer blieben noch bis 2019 bei bentekk, um am Ausbau des Geschäfts mitzuwirken, dann gaben sie auch die restlichen Anteile ab, um neue Wege einzuschlagen.
Matthias gönnte sich zunächst eine Auszeit, seinen Reisplänen kam allerdings bald die Corona-Pandemie in die Quere. Da er auf jeden Fall Unternehmer bleiben wollte, trat er 2020 dem Inkubator Entrepreneur First in Berlin bei, um dort einen potenziellen Mitgründer zu treffen. Den fand er dann später in Marius Krüger, der ebenfalls bei Entrepreneur First aktiv war, allerdings zwei Jahre später und in London. Zuvor hatte er für BP gearbeitet und 2018 zusammen mit ein paar Kommiliton:innen das Startup SWEDISH FALL gegründet, die wie er an der NORDAKADEMIE in Elmshorn studiert haben. SWEDISH FALL produzierte nachhaltige Mode in einem Kreislauf-Modell, recycelte mehr als 8 Tonnen alte Kleider, hatte einen Auftritt in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ und erreichte zeitweilig Millionenumsätze. 2022 war allerdings der Zeitpunkt erreicht, wo weiteres Wachstum nicht mehr möglich schien, und das Startup stellte seinen Betrieb ein.
Die Zeit war für Marius also reif für das nächste Projekt, das ihn wieder zurück in die Welt der Energieversorger brachte. Die sind schließlich die Zielgruppe von atmio, genauer gesagt, Unternehmen, die mit Erdgas zu tun haben. Hauptbestandteil von Erdgas ist Methan, das an undichten Stellen sowohl an Pipelines als auch in zentralen Anlagen austreten kann. Letztere sind das Einsatzgebiet der Lösung von atmio. Sie kombiniert tragbare und stationäre Sensoren mit einer mobilen App und einer integrierten Management-Plattform. Über diese lässt sich ein automatisiertes Reporting erstellen sowie die lückenlose Erkennung, Reparatur und Protokollierung aller Methanlecks organisieren. Die Software kann außerdem bei der jährlichen Emissionsberichterstattung helfen, die ein wichtiger Bestandteil der gesetzlichen Anforderungen ist.
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Zwei Millionenfinanzierungen in kurzer Zeit
Ihren ersten größeren öffentlichen Auftritt hatten Matthias und Marius im Oktober 2023 beim Finale des Wettbewerbs GründerGeist. Dort belegten sie den zweiten Platz, der mit 5.000 Euro dotiert war. Damals trug ihr Startup noch den Namen M2TECH. Das war eine Art Arbeitstitel, der die Begriffe „Measure“, „Manage“ und „Tech“ zusammenbringen sollte. Für Matthias war der GründerGeist kein Neuland, bereits 2016 konnte er dort mit bentekk gewinnen. Wenige Monate zuvor, im Mai 2023, hatte das Startup sein erstes großes Investment abgeschlossen. Um noch unter dem Radar zu bleiben, wurde dies allerdings erst im März 2024 publik gemacht. An der mit 1,3 Millionen Euro dotierten Pre-Seed-Runde waren HCVC, Robin Capital und Nucleus Capital sowie Branchenexperten wie der langjährige Dräger-Manager Bernhard Mohr beteiligt. Zudem erhielt atmio Unterstützung durch das Förderprogramm InnoRampUp der IFB Innovationsstarter GmbH.
Bereits im Juni 2024 folgte dann der nächste Paukenschlag. Dieses Mal sorgte eine weitere Finanzierungsrunde für 5,1 Millionen Euro. Angeführt wurde sie von Notion Capital, neu dabei waren auch SquareOne sowie David Rowans VOYAGERS Climate-Tech Fonds. Erneut beteiligt hatten sich HCVC und Robin Capital. Begünstigt wurde die relativ zeitnahe und überzeichnete Runde durch eine Reihe von Faktoren. So war bekannt, dass die Methanverordnung bald in Kraft treten würde. Dementsprechend stark würde die Nachfrage steigen, bei wenigen Alternativen in dieser technisch anspruchsvollen Nische. Auch die Erfahrung der Gründer spricht für atmio. Trotzdem verbrachte Matthias drei Monate fast ausschließlich damit, den Deal mit Unterstützung durch sein Team unter Dach und Fach zu bringen.
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atmio auf dem Weg zum internationalen Erfolg
Nun ist atmio finanziell solide genug aufgestellt, um gezielt auf Wachstumskurs zu gehen. Dabei liegt der Fokus zunächst auf dem deutschen Markt, wo das Startup schon erfolgreich einige Pilotprojekte durchgeführt hat, aus denen dauerhafte Geschäftsbeziehungen entstanden sind. Zu den Kunden gehören Gasspeicherbetreiber wie Crystal und EWE und Verteilnetzbetreiber wie LSW und Netze BW. Danach steht die internationale Expansion auf der Agenda. Buchstäblich nahe liegt dabei die EU mit ihrer Methanverordnung, aber auch andere Länder haben ähnliche Regularien oder bereiten sie vor. Am Anfang von atmio stand die Idee, Leckagen von Wasserstoff aufzuspüren, denn auch sie wirken klimaschädlich. Der Markt dafür wird aber erst in ein paar Jahren groß genug sein, um nennenswert zur Skalierung beitragen zu können.
Schon jetzt ist dagegen die Methandetektion ein potenzielles Milliardengeschäft, das atmio die Chance bietet zum Weltunternehmen zu werden. Ein schneller Exit wie bei bentekk ist jedenfalls nicht geplant. Unterdessen geht der Ausbau des Teams, das momentan aus rund zehn Personen besteht, weiter. Mindestens fünf neue Stellen sollen Anfang 2025 besetzt werden. Eine wichtige Personalie war im Herbst 2024 die Einstellung von Lucas Pfennig, einem Weggefährten von Matthias bei bentekk, der bis zum Wechsel bei Dräger gearbeitet hat. Auch wenn einige Teammitglieder inzwischen remote arbeiten, bleibt Hamburg der Unternehmensmittelpunkt von atmio. Schließlich hat hier alles angefangen.
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