Novocarbo: mit Kohle gegen den Klimawandel
Wenn es um den Klimaschutz geht, hat Kohle keine Zukunft. Es sein denn, es handelt sich um Pflanzenkohle, wie sie das Hamburger Startup Novocarbo herstellt. Die ist so klimafreundlich, dass sich ihre Produktion sogar mit der Ausstellung von CO2-Zertifikaten verbinden lässt.

Novocarbo definiert ein uraltes Handwerk neu
Caspar Ziegner, der Gründer von Novocarbo, hat zunächst Volkswirtschaftslehre und dann Wirtschaftsingenieurswesen studiert und anschließend gut sechs Jahre für das niederländische Unternehmen Alliander gearbeitet. Bei dem Gas- und Stromnetzbetreiber war er zuletzt als Head of Business Development tätig. In der Zeit stieß er eher zufällig auf das Potenzial, das Pflanzenkohle bei der Vermeidung von CO2 entfalten kann.
Die Herstellung von Pflanzenkohle hat eine lange Geschichte. In Südfrankreich wurde bei Ausgrabungen ein einfacher Kohlenmeiler entdeckt, der aus dem 8. Jahrhundert vor Christus stammt. Die Köhlerei ist also einer der ältesten Handwerksberufe und Novocarbo zunächst einmal ein moderner Köhlerbetrieb. Das damals wie heute angewandte Verfahren nennt sich Pyrolyse. Dabei werden organische Verbindungen bei hohen Temperaturen und weitgehend unter Ausschluss von Sauerstoff gespalten. Im Gegensatz zur Verbrennung wird dabei dauerhaft Kohlenstoff gebunden, im Zeitalter des Klimawandels ein wesentlicher Aspekt.

Biokohle ist vielseitig verwendbar
CO2 entsteht aber nicht nur bei der Verbrennung von organischem, pflanzenbasiertem Material, sondern auch beim Vermodern. Das geschieht naturgemäß langsamer, aber mit dem gleichen Resultat: Ursprünglich in den Pflanzen gebundener Kohlenstoff wird zersetzt und Kohlendioxid gelangt in die Atmosphäre. Das gilt auch für die Überreste bei der Holzverarbeitung und in der Forstwirtschaft. Genau hier setzt Novocarbo an. Es nimmt diesen vermeintlichen Abfall und stellt daraus vielseitig verwendbare Pflanzenkohle her, auch Biokohle genannt. Grundsätzlich kann sie aus fast jeder Art von Pflanzenresten und sogar aus Klärschlamm erzeugt werden. Novocarbo fokussiert sich aber auf Holz und Obstkerne, je nachdem, wofür die Biokohle verwendet werden soll.
Weit verbreitet ist die Verwendung von Biokohle in der Landwirtschaft und im Garten- und Landschaftsbau. Sie dient nicht direkt als Düngemittel, ist aber ein ausgezeichneter Wasser- und Nährstoffspeicher und verbessert dadurch die Bodenqualität. Nachweislich konnte so beispielsweise das Wachstum von Bäumen beschleunigt werden. Auch als Zusatz in Tierfutter erfüllt sie ihre Aufgabe. Ähnlich wie Kohletabletten beim Menschen hilft sie gegen Magen-Darm-Erkrankungen bei Rindern. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Einsatzmöglichkeiten; so berichtete Novocarbo im Juni 2025 von einem Pilotprojekt, bei dem Asphalt ein Anteil Biokohle hinzugefügt wird.

Novocarbo hat mit eigenen Anlagen drei Einnahmequellen
Angefangen hat das Startup im Jahr 2017. Für die Herstellung konnte es zunächst auf die Kapazitäten seines Hauptgesellschafters zurückgreifen. Ein Jahr später eröffnete es in Dörth in Rheinland-Pfalz bereits seine erste Produktionsstätte, Carbon Removal Park genannt. Die Technologie stammt von dem Unternehmen PYREG, das auf Pyrolyse spezialisiert ist. Novocarbo ist aber auch offen für andere Technologien und greift auf sie bei anderen Projekten zurück. Die Anlagen arbeiten so effizient, dass sie Wärme abgeben, die von Stadtwerken und Industriebetrieben genutzt werden kann. Neben dem Verkauf der Biokohle ergibt sich daraus eine zweite Einnahmequelle.
Das dritte wirtschaftliche Standbein ist der Handel mit CO2-Zertifikaten. Diese Zertifikate dienen als Nachweis, dass eine bestimmte Menge – bei CO2 in der Regel eine Tonne - an Treibhausgasen eingespart, vermieden oder aus der Atmosphäre entfernt wurde. Die durch den Handel erzielten Einnahmen ermöglichen es unter anderem, den Verkaufspreis für die Biokohle zu senken und so konkurrenzfähiger zu machen. Der erste große Abnahmevertrag brachte zudem die Mittel, um die bisher größte Produktionsstätte in Mecklenburg-Vorpommern zu bauen. Die im Oktober 2023 eröffnete Anlage kann pro Jahr bis zu 1.700 Tonnen Biokohle und 6.600 Megawattstunden Energie erzeugen.

Große Ziele bis ins Jahr 2050
Novocarbo war dank eines Investors von Beginn an finanziell gut aufgestellt, doch Anfang 2024 drang das Startup diesbezüglich in neue Sphären vor. In einer Finanzierungsrunde erhielt es 25 Millionen Euro von SWEN Capital Partners, einem führenden Investor für Infrastrukturprojekte mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit. Der neue Gesellschafter stammt aus Frankreich, was Novocarbo den Eintritt in den europäischen Markt erleichtern könnte, welches das erklärte Ziel ist.
Das nächste Projekt ist allerdings in Bochum angesiedelt. Dort entsteht ein Carbon Removal Park, der 5.600 Tonnen CO2 pro Jahr binden soll. Und das ist erst der Anfang. In der die Finanzierung durch SWEN Capital Partners begleitenden Pressemitteilung ist davon die Rede, bis zum Jahr 2030 der Atmosphäre eine Million Tonnen CO2 zu entziehen. 2050 soll es dann insgesamt eine Gigatonne sein – das entspricht einer Milliarde Tonnen. Um das zu erreichen, soll sich die Kapazität der Anlagen jedes Jahr verdoppeln. Das sind äußerst ehrgeizige Pläne, aber bei Novocarbo ist man optimistisch, sie in die Tat umsetzen zu können.

Eigenes Labor in Hamburg sorgt für Sonderstellung
Die Nachfrage sowohl nach Biokohle als auch nach den Zertifikaten steigt, zu den bekanntesten Kunden Novocarbos zählen Bayer und Swiss Re. Die Konkurrenz schläft allerdings nicht, aber einen Vorsprung hat sich das Startup durch den frühen Markteintritt und das seither aufgebaute Vertriebsnetz aufgebaut. Ein Alleinstellungsmerkmal istzudem, dass Novocarbo das gesamte Ökosystem abdecken können: von der Biomassebeschaffung über die hochwertige Biochar- und Wärmeproduktion bis hin zum Verkauf von zertifizierten Carbon Credits. Den Umsatz macht ein bisher recht überschaubares Team, das im Kern 25 bis 30 Mitglieder zählt. Mit dem Bau jedes weiteres Carbon Removal Parks wird die Zahl aber rasch anwachsen.


Schon seit ein paar Jahren beschäftigt Novocarbo ein Technology & Research Team, das dann doch für eine gewisse Sonderstellung des Startups sorgt. Es arbeitet nämlich kontinuierlich daran, die Qualität der Biokohle zu verbessern und neue Einsatzmöglichkeiten zu entwickeln. Bisher hat dafür ein eigenes Labor gefehlt, doch das hat sich 2025 geändert. Da hat sich Novocarbo im tecHHub in der Science City angesiedelt, der mit seinen Laboreinrichtungen ganze neue Möglichkeiten bietet zu analysieren und experimentieren. So wird dort gerade geforscht, wie sich per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) durch Biokohle aus der Umwelt entfernen lassen. Sie werden beispielsweise in der Textilindustrie verwendet, sind nur sehr schwer abbaubar und stehen teilweise im Verdacht krebserregend zu sein. Es wäre also sehr zu wünschen, dass hier ein Durchbruch gelingt – möglich gemacht in Hamburg.