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Forschung und Entwicklung mit künstlicher Intelligenz liegen im Trend, auch High-Tech-Innovationen bei Werkstoffen werden längst von Startups vorangetrieben. Doch beides zusammen? Durch die Kombination von KI-Software mit Physik und Chemie hat sich das Hamburger Startup Foviatech eine herausragende Position erkämpft.   

„Die Hybridproduktstrategie ist ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal und bildet das Rückgrat der Innovation im Unternehmen“, konstatiert Gründerin Sowmya Thyagarajan. Das Material, mit dem Foviatech zukunftsweisende Anwendungen für viele Industriebranchen bietet, sind Graphen. Dies ist eine Kohlenstoffvariante mit nahezu wundersamen Eigenschaften, besonders leitfähig für Strom und Wärme und gleichzeitig außergewöhnlich hart und flexibel. Außerdem ist der Stoff praktisch durchsichtig, denn zweidimensionale Graphen bestehen aus nur einer Lage von Kohlenstoffatomen, die in ihrer Verbindung ein bienenwabenförmiges Muster bilden. „KI und 2D-Materialien sind die Schlüsseltechnologien, die ausgewählt wurden, um die Lücke bei der Umwandlung von Produkten von benutzerabhängig hin zur Selbstinteraktion zu schließen“, erläutert Thyagarajan ihre Vision.       

© Johannes Arlt/laif: Sowmya Thyagarajan, Gründerin von Foviatech

Von Indien nach Hamburg

Die aus Indien stammende Gründerin hat Luftfahrttechnologie studiert und kam erstmals 2014 für ein dreimonatiges Praktikum an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) nach Hamburg. Anfang 2016 kehrte sie in die Hansestadt zurück und war zweieinhalb Jahre als Forscherin im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) tätig. Im Mai 2018 machte sie sich mit Foviatech selbständig und holte sich als Mitgründer den Robotics-Experten Chandrakant Bothe ins Team, das in Hamburg inzwischen auf acht Personen angewachsen ist. In Indien arbeiten außerdem fünf und in Irland ein:e Mitarbeiter:innen für Foviatech.

Thyagarajan engagiert sich nicht nur als Unternehmerin, sondern auch für die Rechte und Chancen von Frauen in der Wirtschaft. Sie ist Präsidentin des German Chapter des Women's Indian Chamber of Commerce and Industry (WICCI). „Ich leite auch eine NGO-Plattform, die sich auf die Stärkung der Frau konzentriert, eine bilaterale WICCI/Deutschland-Indien-Plattform, um sicherzustellen, dass diejenigen gehört werden, die keine Stimme haben“, berichtet sie.

Als global vernetzte Akteurin ist Thyagarajan also in der Welt zu Hause. Doch die Hansestadt an der Elbe hat sie überzeugt wie kein anderer Standort für ihr junges Unternehmen.

„Trotz zahlreicher Möglichkeiten aus anderen Ländern war Hamburg aufgrund seines internationalen und industriellen Umfelds schon immer attraktiv. Hamburg ist aus Sicht des Luftverkehrs sehr international und industriell geprägt. Daher passt es perfekt zu uns. Ich liebe die Alster und die Landungsbrücken mit einem fantastischen Sonnenuntergang und einer wunderschönen Landschaft.“
Sowmya Thyagarajan, Gründerin von Foviatech
© Foviatech

Weltmarktchancen locken Investor:innen

Durch die Verbindung von Deutschland und Indien steigen die Chancen auf einen erfolgreichen Sprung in den Weltmarkt der High-Tech-Industrie. „Derzeit wächst Foviatech und hat mit der Expansion in den asiatisch-pazifischen Raum (APAC), Europa, Naher Osten, Asien (EMEA) und den amerikanischen Verteidigungsmarkt begonnen“, bilanziert Thyagarajan. „Wir werden die Serie-A-Finanzierungsrunde mit zehn Millionen Euro ab Juni 2025 starten.“

Bereits mit der Seed-Finanzierung konnte Foviatech die Investoren überzeugen, 1,4 Millionen Euro in die Kasse zu spülen. Insgesamt sind inzwischen 15 Investoren an Bord, die vom weiteren Erfolg überzeugt sind. Zu ihnen gehören Private-Equity-Verwalter, Business Angels, strategische Partner und Anleger:innen von Micro Venture Capital. Von der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) hat Foviatech während der Corona-Krise einen Investitionszuschuss von 40.000 Euro erhalten.

©Foviatech: Das Team

Komfortsitze und eine Plattform zur Qualitätskontrolle

Zweidimensionale Kohlenstofffolien und künstliche Intelligenz sind neue Kategorien, welche die menschliche Vorstellungskraft oft noch überfordern. Konkret zum Fühlen und Anfassen ist die Technologie für Komfortsitze in Fahrzeugen, die Foviatech entwickelt hat. Durch Einsatz eines Nano-Airbags können Sitzfläche und Rückenlehne flexibel und exakt an die Körperhaltung der Insassen automatisch angepasst werden. „Das System ermöglicht es dem Sensor, bei dem die Graphentechnologie Schicht für Schicht gedruckt wird, biometrische Daten wie Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsaspekte der Benutzer zu sammeln“, erläutert Thyagarajan. „Unsere KI-Algorithmen und die Schnittstelle zwischen dem Sensor und dem Nano-Airbag-Mechanismus sind neu und auf dem aktuellen Markt noch nicht vorhanden.“ Die Anwendungen aber sind vielfältig. Genutzt werden können die smarten KI-Sitze in der Automobilindustrie, für Zweiräder, E-Bikes, in Flugzeugen, Raumfahrtvehikeln oder auch im Gesundheitswesen.                  

Außerdem hat Foviatech die KI-gesteuerte Digital-Twin-Plattform FOVIAR entwickelt. Mit ihr können Qualitätssicherungsprozesse wie die QA/QC-Inspektionen halbautomatisch ausgeführt werden. QA steht für eine prozessorientierte und QC für eine produktorientierte Qualitätskontrolle. Dabei zum Einsatz kommen industrielle Bildverarbeitungstechnologien zur schnellen Bewertung der Produktions- oder Wartungsgenauigkeit, Schadenstoleranz und Fehlererkennung. In der Transportbranche wird sie für die Produktion, Montage/Endmontage und MRO (Wartung, Reparatur, Überholung) eingesetzt. „Selbstinteraktive intelligente Maschinen und Produkte sind ein Schlüsselfaktor für die Kundenzufriedenheit und die Erleichterung des Lebens“, betont die Gründerin. 

© AlexanderAlUS: Modell der Graphenstruktur

Technologie der Zukunft mit hohem Potenzial

Dieses besondere Segment, in dem die chemischen Strukturen von Graphen mit der digitalen Welt der künstlichen Intelligenz kombiniert werden, bietet noch viel Potenzial für die Zukunft. Nicht nur die KI ist neu und steht erst am Anfang ihrer Entwicklung, auch die technische Anwendung von Graphenmolekülen befindet sich noch in den Startlöchern.

Die besonderen Eigenschaften von Graphen gaben der Forschung lange Zeit ein Rätsel auf. Entdeckt wurden sie bereits 1947, doch die Fachwelt hielt die Existenz eines solchen Stoffes aus physikalischen Gründen für unmöglich. Erst seit 2010 ist es der Forschung gelungen, die Stabilität der zweidimensionalen Atomschicht zu erklären. Jetzt warten Regierungen und Industrie auf eine wirtschaftliche Umsetzung der Entdeckung. Die EU fördert schon seit 2013 Forschung und Entwicklung. 

Das Fraunhofer Institut beobachtet bereits ein kontinuierliches Wachstum des Welthandels mit Graphen. In 2022 habe der globale Umsatz schätzungsweise 380 Millionen US-Dollar betragen. Prognostiziert werde ein jährliches Wachstum um 20 bis 30 Prozent. Für Foviatech bietet die besten Chancen und für Hamburg ein neues Feld zur Erschließung einer Zukunftstechnologie.  


Autor

Startup City Hamburg

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