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Kann eine vorausschauende Stadtplanung die Kriminalitätsrate senken und das Sicherheitsgefühl in Städten verbessern? Das Startup UrbView vertritt diese Position und liefert mithilfe künstlicher Intelligenz die Konzepte dafür. Ein erstes Pilotprojekt liefert bereits vielversprechende Ergebnisse.

© Klara Yoon: Elnaz Nouri, Gründerin und CEO von UrbView

Hamburg statt South Carolina

Die Gründung von UrbView ist in gewisser Weise auch Donald Trump zu verdanken. Die gebürtige Iranerin Elnaz Nouri hatte schon die Zusage für ein Hochschulprojekt in South Carolina in Aussicht, als ihr ein Freund riet, nicht alles auf eine Karte zu setzen. Es bestünde die Gefahr, dass sich die Einreisebedingungen in die USA erschweren könnten. Eine Befürchtung, die sich später bewahrheiten sollte. Also schaute sich Elnaz nach Alternativen um und stieß dabei auf ein Angebot der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg.

Dort als Werkstudentin angenommen zu werden, war relativ unkompliziert. Schwieriger wurde es da schon bei der Beschaffung des Visums. Die dafür erforderliche Webseite war nur wenige Minuten mitten in der Nacht verfügbar und der Ansturm jeweils riesig. Aber irgendwann hat es geklappt, und in der Nacht des 7. März 2018 betrat Elnaz erstmals Hamburger Boden.

© UrbView: Karte von Straßenbeleuchtung

Sicherheit und Gesundheit hängen zusammen

Zuvor hatte die studierte Zahnmedizinerin in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen im Nordosten Irans gearbeitet, die für bis zu 10.000 Menschen zuständig waren. Dabei wurde ihr bewusst, wie stark die Gesundheit von Lebensumständen wie dem Einkommen, dem Familienstand und der Ernährung abhängig ist. Auch die allgemeine Sicherheitslage spielt eine wichtige Rolle. Die ist für Frauen in der Öffentlichkeit im Iran bekanntlich besonders kritisch, doch vergleichbare Probleme gibt es überall auf der Welt.

Bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit an der HAW beschäftigte Elnaz sich eingehend mit dem Themenkomplex. Dabei ging es auch darum, wie bei der Stadtplanung Fragen der Gesundheit und Sicherheit stärker berücksichtigt werden können. Erfolgversprechende Ansätze gab es, die Herausforderung bestand in der praktischen Umsetzung. Vielleicht konnte da die Teilnahme an einem Online-Hackathon weiterhelfen? Elnaz war sich nicht sicher, ob sie als Nicht-Europäerin überhaupt beim CitizensHack 2022, einer EU-Veranstaltung, mitmachen durfte, aber das war kein Problem.

© UrbView: Adrià Molina, Elnaz Nouri, Franziska Vogg und Gerard Jover Pujol

Ein Hackathon führt zur Gründung von UrbView

Mit ihrer Idee, künstliche Intelligenz für die Stadtplanung einzusetzen, um Menschen, die wegen ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung angegriffen werden, besser zu schützen, schaffte sie es bis ins Finale. Dort begeisterte sie die Gerard Jover Pujol und Adrià Molina für das Projekt, zwei Experten für künstliche Intelligenz und Machine Learning aus Barcelona. Und die Begeisterung hielt über den Hackathon hinaus, die beiden wurden zu Co-Foundern des gerade entstehenden Startups UrbView. Wenig später stieß auch noch Franziska Vogg hinzu, ihres Zeichens Kriminologin und damalige Zimmergenossin von Elnaz.

Das Quartett brachte also die notwendigen Fachkompetenzen mit, um die Entwicklung schnell voranzutreiben. Die meisten Daten, mit der die KI trainiert wird, sind allgemein zugänglich. Relevant ist beispielsweise, wie gut oder schlecht beleuchtete öffentliche Räume die Sicherheit und deren Wahrnehmung beeinflussen. Das hängt unter anderem mit dem Abstand der Straßenlaternen zueinander zusammen und ob sie nah an Bäumen oder hohen Büschen aufgestellt sind, die das Licht abschwächen und die Sicht behindern. Auch die Positionierung einer Bushaltestelle ist ein wichtiger Faktor. Es macht einen Unterschied, ob sie sich an einer Hauptstraße mit viel Publikumsverkehr befindet, oder in einer kaum frequentierten Nebenstraße. UrbView bezieht bei seinen Auswertungen Medien- und Polizeiberichte über Straftaten ein und analysiert derzeit 15 Aspekte der städtischen Qualität, wobei weitere Kategorien und Analyseebenen in der Entwicklung sind.

© Catrin-Anja Eichinger: Gruppenfoto der Gewinner:innen von IDEA 2022

Große Erfolge schon ab dem ersten Jahr

Die Anerkennung für die Arbeit ließ nicht lange auf sich warten. Wenn der Hackathon im Februar 2022 die Geburtsstunde von UrbView war, so bedeutete der Gewinn beim Social Impact Award 2022 im Oktober den ersten großen Schritt. Nur wenige Wochen später folgte der nächste Höhepunkt: Das Team von UrbView erhielt im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses den Innovation in Digital Equality Award (IDEA). Mit dem Preis würdigt der Senat Innovationen und Engagement im Bereich der Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit im digitalen Raum. Wichtiger als der Preis in Höhe von 12.500 Euro war die Bestätigung, dass UrbView ein vielversprechendes Geschäftsmodell entwickelt hat, zumal Regierungen zu den Hauptkunden zählen. Ebenfalls im Herbst 2022 sicherte sich das Startup einen Platz im Förderprogramm AI Ideation des AI.STARTUP.HUB. Anfang 2024 kam noch eine Förderung durch das InnoImpact-Programm der IFB Innovationsstarter GmbH hinzu.

Im Oktober 2024 startete UrbView ein Pilotprojekt mit dem Berliner Landeskriminalamt (LKA) an zwei Standorten: Neukölln, bekannt als sozialer Brennpunkt, und im eher beschaulichen Stadtteil Buch. Während das Projekt noch läuft, zeigen die ersten Ergebnisse bereits einen deutlichen Bedarf und Verbesserungspotenzial in beiden Bezirken. Das LKA hat auch Interesse an einer Ausweitung des Projekts auf andere Bezirke im Rahmen einer kontinuierlichen Zusammenarbeit bekundet.

Im ersten Quartal 2025 sicherte sich UrbView einen Hauptinvestor und hat seitdem 70 % seiner Pre-Seed-Finanzierungsrunde in Höhe von 600.000 Euro eingeworben, was für mehr Planungssicherheit in der nächsten Wachstumsphase sorgt. Die restlichen 30 % sind noch offen für Investoren, die UrbViews Mission, sicherere Städte für alle zu schaffen, unterstützen wollen. Mittlerweile besteht das Team aus sieben Personen, die sich auf vier Länder verteilen. Gerard und Adrià haben ihren Lebensmittelpunkt nach wie vor in Spanien. Bahareh Hassanpour, Junior-Stadtplanerin, lebt in Italien, und Rishabh Haria, Dateningenieur, in Indien. Der jüngste Neuzugang ist CSO Netta Emanuel, die den Vertrieb leitet und mit ihrem Fachwissen dazu beiträgt, den Erfolg von UrbView zu steigern.

Unterstützung aus Hamburg hat es schon reichlich gegeben, so bereits ganz am Anfang durch die Gründungsplattform der Hamburger Hochschulen, die damals den Namen beyourpilot trug und inzwischen Startup Port heißt. Zudem lobt Elnaz die Hamburger Startup-Community. Statt Konkurrenzdenken herrsche dort Kooperationsbereitschaft vor. Immer wieder böte sich die Gelegenheit, sich auf einen Kaffee zu treffen und Erfahrungen auszutauschen.

„Das Hamburger Ökosystem bietet viele Formen der Frühphasenfinanzierung, darunter Zuschüsse und Preise. Eine Schlüsselrolle spielt die IFB mit ihren Innovationsstarter-Programmen wie InnoImpact, InnoFounder und InnoRampUp, die einen hervorragenden Startpunkt für Gründer bieten.“
Elnaz Nouri, Gründerin von UrbView
© UrbView: CSO Netta Emanuel (links) beim UITP Summit

Zu den potenziellen Kunden gehören nicht nur Städte und Gemeinden, sondern auch öffentliche und private Verkehrsunternehmen, die ein großes Interesse an der Verbesserung des Sicherheitsniveaus haben. Der 400- bis 500-Meter-Radius um die Haltestellen ist ein Schlüsselfaktor, ob sich Menschen dafür entscheiden, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, doch dieser Bereich wird oft übersehen. Da UrbView als einziges Startup Sicherheitslösungen für diesen Radius anbietet, stieß die Teilnahme an der Mobilitätsmesse UITP Summit in Hamburg im Juni auf großes Interesse bei den Verkehrsbetrieben und bot wertvolle Möglichkeiten, internationale Kontakte zu knüpfen.

Der Wunsch von UrbView ist nun, dass der Zuspruch, den das Startup aus der Hamburger Politik bekommt, auch zur konkreten Umsetzung in der Hansestadt führt. Im Gegensatz dazu war Berlin schneller und unkomplizierter bei der Einführung innovativer Technologien. In vielen Städten mag die Sicherheitslage kritischer sein als in Hamburg, das für das erste Halbjahr 2025 insgesamt einen Rückgang der Straftaten verzeichnet. Bei den gemeldeten Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen gab es allerdings einen Anstieg von 22 % gegenüber dem Vorjahr. Wenn UrbView hier einen Ansatz bietet, diese Entwicklung umzukehren, sollte sich Hamburg diese Chance nicht entgehen lassen.


Autor

Startup City Hamburg

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