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Die Geschichte des Hamburger Medizin-Startups PINK! gegen Brustkrebs ist in mehrfacher Hinsicht beispielhaft. So zeigt sie, wie man mit Kompetenz und Durchhaltevermögen eine Zulassung als Digitale Gesundheitsanwendung erreichen kann. Und wie der Verkauf an ein internationales Unternehmen ohne Verlust der eigenen Identität gelingt.

© Martin Zitzlaff Photo Film Hamburg:  Prof. Dr. Pia Wülfing, Gründerin von PINK! gegen Brustkrebs
© Martin Zitzlaff Photo Film Hamburg: Prof. Dr. Pia Wülfing, Gründerin von PINK! gegen Brustkrebs

Eine App für bessere Unterstützung von Brustkrebspatientinnen

In Deutschland erkranken jedes Jahr zwischen 70.000 und 75.000 Frauen an Brustkrebs, mehr als an jeder anderen Krebsart. Für die Betroffenen ist das ein dramatischer Einschnitt, der auch bei erfolgreicher Behandlung ihr Leben für immer verändert und oft umfassende Betreuung erfordert. Die Gynäkologin Prof. Dr. Pia Wülfing ist Expertin auf diesem Gebiet. Sie hat zunächst das Brustzentrum an der Universitätsfrauenklinik Münster mit aufgebaut und dann zehn Jahre die Onkologie im Mammazentrum am Krankenhaus Jerusalem in Hamburg geleitet. Dabei erlebte sie immer wieder, wie die Unterstützung der Patientinnen aus Zeit- und Personalmangel an Grenzen stieß.

Im März 2020 wurde Wülfing als Covid-Risikopatientin eingestuft. Die damit verbundene unfreiwillige Auszeit nutzte sie zum Aufbau von PINK! gegen Brustkrebs. Es begann zunächst mit einem Podcast und Webinaren, doch das Ziel war die Entwicklung einer App, die Brustkrebspatientinnen mit Übungen, Tipps und Informationen durch ihren Alltag begleitet. Sie sollte ihnen psychische Entlastung bieten, sie zu gesunder Ernährung und körperlichen Aktivitäten animieren und ihnen helfen, mit den Nebenwirkungen der Therapie besser fertig zu werden. Dazu gehören beispielsweise Gewichtszunahme und Erschöpfung, die durch bewusstes Verhalten in Grenzen gehalten werden können.

© PINK!: Screenshots der App
© PINK!: Screenshots der App

Die DiGA-Zulassung war ein Mammutprozess

PINK! Coach hieß die App, die 2021 veröffentlich wurde. Das war aber nur der erste Schritt. Danach beantragte Wülfing eine Zulassung als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA), damit Krankenkassen die Kosten für die Nutzung übernehmen. Für viele Startups aus dem Gesundheitsbereich ist das der entscheidende Erfolgsfaktor. Zuständig ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Den Prozess, der mit dieser Zulassung einhergeht, beschreibt Wülfing als „regulatorisches Monster“. Sie habe den dafür erforderlichen Aufwand anfangs unterschätzt.

Für PINK! bedeutete das rund eineinhalb Jahre Wartezeit bis zur vorläufigen Zulassung, und das war noch die schnelle Variante. Danach hatte PINK! noch weitere zwölf Monate Zeit, um die Wirksamkeit in einer Evaluationsstudie nachzuweisen. Bis dahin konnte die App bereits auf Rezept verschrieben werden. Während des gesamten Prozesses gab es keine Garantien, weder was den Zeitrahmen noch die Zulassung betraf. Aber PINK!überzeugte mit den Ergebnissen der Studie, 2023 wurde die App dauerhaft ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Möglich gemacht haben das insgesamt rund 30 Personen, die sich mit so unterschiedlichen Themen wie App-Entwicklung, Datenschutz, rechtlichen Fragen und natürlich auch Krebstherapien beschäftigten.

© PINK!: Prof. Dr. Pia Wülfing  und Dr. Tryggvi Thorgeirsson von Sidekick Health
© PINK!: Prof. Dr. Pia Wülfing und Dr. Tryggvi Thorgeirsson von Sidekick Health

Der Exit von PINK! war nicht geplant

Dank der endgültigen Zulassung konnten Nutzerinnen nun also vollkommen sicher sein, dass PINK! Coach ihnen wissenschaftlich fundierte und nachweislich wirksame Hilfe bot. Und für das Startup war die DiGA-Einstufung eine Art Lebensversicherung. Schließlich machte sie einen wirtschaftlichen Erfolg wesentlich wahrscheinlicher, erst recht bei einem Thema wie Brustkrebs, das so viele Frauen betrifft. Entsprechend gut entwickelten sich die Umsätze bei PINK!, man war nicht auf finanzielle Hilfe durch Investoren angewiesen und sparte sich damit diese Mühen, die sonst häufig bei Startups zum Alltag gehören.

Auch ein Verkauf des Unternehmens stand eigentlich nicht auf der Agena. Eigentlich hatte Pia Wülfing geplant, noch eine Weile auf eigene Verantwortung weiterzumachen. Allerdings häuften sich die Anfragen, und sie begann, sich ernsthaft mit dem Thema Exit auseinanderzusetzen. Vor allem das Angebot des isländischen Unternehmens Sidekick Health erregte ihre Aufmerksamkeit. Das Unternehmen hatte bereits eine Reihe von digitalen Hilfsangeboten für verschiedene Gesundheitsfragen entwickelt, PINK! passte also ausgezeichnet ins Portfolio. Hinzu kam, dass die Gründer selbst Mediziner sind.

© PINK!: Screenshot von PINK! Leben
© PINK!: Screenshot von PINK! Leben

Neue Besitzer, bewährtes Konzept

Im Juni 2024 wurde die Übernahme von PINK! gegen Brustkrebs durch Sidekick Health verkündet. Intern änderte sich dadurch nicht allzu viel. Der Firmensitz blieb in Hamburg und das knapp 30-köpfige Team wurde komplett übernommen. Wülfing fungiert weiterhin als Geschäftsführerin und hat 2025 zusätzlich noch den Titel Chief Clinical Officer (CCO) erhalten. Auch die Nutzerinnen mussten sich nicht umstellen. Stand heute besteht das Angebot von PINK! aus folgenden Elementen:

  • PINK! Coach, die App.

  • PINK! Leben, ein psychoonkologischer Online-Kurs, bestehend aus vier Modulen. Einige Krankenkassen übernehmen dafür die Kosten, andere nicht.

  • PINK! Kongress Digital, eine Online-Konferenz die seit ihrem Start im Jahr 2022 jeweils viele Tausend Frauen erreicht. Die Teilnahme ist kostenlos und die fünfte Ausgabe ist für den 20. November 2026 geplant.

  • Frag doch mal PINK!, eine kostenlose Webinar-Reihe.

Für Pia Wülfing hat der Exit den Vorteil, dass sie sich nicht mehr um jedes unternehmerische Detail kümmern muss, sondern stärker auf ihre medizinische Kernkompetenz konzentrieren kann. Innerhalb von Sidekick Health hat sich PINK! zu einem Vorzeigeprojekt entwickelt, das auch internationales Marktpotenzial besitzt, auch wenn eine entsprechende Expansion kurzfristig nicht geplant ist. Als CCO ist sie zudem an der Entwicklung neuer Produkte beteiligt, beispielsweise an der App MENO!. Die richtet sich an Frauen in den Wechseljahren und ist ähnlich wie PINK! Coach als tägliche Begleiterin und Ratgeberin konzipiert. Erste Studienergebnisse sind äußerst vielversprechend. Noch ist MENO! nicht verfügbar, über einen Newsletter gibt es bereits.

© Mathias Jäger/Hamburg Startups:  Prof. Dr. Pia Wülfing, Gründerin von PINK! gegen Brustkrebs
© Mathias Jäger/Hamburg Startups: Prof. Dr. Pia Wülfing, Gründerin von PINK! gegen Brustkrebs

Viel Unterstützung aus Hamburg

In ihrer Zeit als Gründerin ist Pia Wülfing immer sehr pragmatisch vorgegangen und hat dabei festgestellt, dass man oft mehr Zeit und Geld benötigt als gedacht. Die ohnehin fragwürdige Floskel „Das macht man eben so!“ hat für sie nie gegolten. Auf ihrem Weg hat ihr ein Netzwerk sowohl aus der Medizin- als auch der Startup-Welt immer wieder Unterstützung gegeben. Besonders hilfreich während der Phase des Antrags für die DiGA-Zulassung war die finanzielle Förderung durch das InnoFounder-Programm der IFB Innovationsstarter GmbH, die PINK! bereits im Jahr 2021 erhalten hat. Und auch die Zukunft des Unternehmens liegt an Alster und Elbe. Nicht zufällig führt Sidekick Health neben dem Hauptsitz in Reykjavik als Adresse für die deutsche Tochtergesellschaft Hamburg an.


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