Breeze Technologies: Künstliche Intelligenz für saubere Luft in der Stadt
2014 verbrachte Robert Heinecke einige Zeit in Istanbul. Dort war der Smog so stark, dass man die andere Straßenseite kaum noch sehen konnte. Diese Bilder haben Robert nicht losgelassen. Er wollte mehr darüber wissen, was Städte wie Istanbul dafür tun, die Luftqualität zu verbessern.
Seine Recherche war allerdings eher frustrierend, denn die Datenlage war dünn und die Luftreinhaltemaßnahmen eher planlos. Die Messtechnik war größtenteils auf dem Stand der 70er Jahre stehengeblieben und Städte mussten für eine einzelne Messstation Hunderttausende Euro investieren. Mit seinem Hintergrund in Informatik dachte er sich: Das muss besser gehen! Aus dieser Idee heraus gründete er 2015 sein Startup Breeze Technologies, das mittlerweile eher ein Scaleup ist.
Das Breeze-System – bis zu 50.000 x kleiner und 1.000 x günstiger als bestehende Lösungen
Mit seinen 17 Mitarbeiter:innen, und Offices in Hamburg, Berlin und Kopenhagen hilft Breeze Technologies Unternehmen, Städten und anderen Organisationen weltweit die Luftqualität zu messen und zu verbessern. Hierfür setzt das Unternehmen auf das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz. Ganz konkret bedeutet das: Breeze entwickelt und produziert eigene, kleine und kostengünstige Luftqualitätssensoren.
Das Besondere an der Lösung von Breeze: Im Gegensatz zu bisherigen Produkten, verlagert Breeze möglichst viel Komplexität in die Cloud. So konnte das Breeze-Team es schaffen, die Sensoren im Vergleich zu klassischen Luftmessstationen bis zu 50.000 mal kleiner und 1.000 mal günstiger anzubieten. Die Daten fließen in Echtzeit in eine zentrale Plattform und werden dort für Kund:innen und Partner:innen kalibriert, visualisiert und analysiert. Durch das selbstlernende System werden die Empfehlungen mit jedem Projekt immer besser.
Wir haben Robert Heinecke, Gründer und CEO von Breeze, Smart City-Experte und mehrfach ausgezeichneter Unternehmer (u.a. Forbes ‚30 Under 30‘, ‚Young Green Tech Entrepreneur of the Year 2019‘), zum Interview getroffen und ihn gefragt, welche Tipps er für Gründer:innen parat hat. Außerdem verrät er, warum ihm Zebras lieber sind als Unicorns und warum er seit Beginn auf Bootstrapping setzt.
Robert, vielen Dank dass du dir Zeit für uns nimmst. Kannst du uns etwas über die Vision von Breeze Technologies erzählen?
Robert: Klar, gerne. Das große Ziel von Breeze ist saubere Luft weltweit, egal an welchem Ort. Teil unserer Mission ist es, erst einmal Transparenz über den Status Quo herzustellen - denn 99 % der Städte haben noch gar keine Daten über ihre Luftqualität. Nur wenn wir diese haben, können wir die heutigen Probleme wirklich gezielt und effektiv angehen. Es gilt das alte Sprichwort: You cannot manage what you cannot measure. Darüber hinaus glauben wir, dass wir mit den gesammelten Daten große gesellschaftliche Mehrwerte erzielen können. Als Social Impact-Startup ist uns das sehr wichtig.
Ihr habt bereits über 35 Startup-Awards abgeräumt, unter anderem den Hamburger Gründerpreis. Was war euer größter Erfolg bisher?
Robert: Wir schwimmen gerade auf einer Erfolgs-Welle: Gemeinsam mit dem US Department of Homeland Security konnten wir nicht nur die Funktionalität unserer Luftqualitätssensoren beweisen, sondern auch zeigen, dass wir mit Hilfe der gesammelten Daten schnell in der Lage sind, Waldbrände zu erkennen. Das System wird jetzt in Kalifornien in einem größeren Projekt ausgerollt.
Anfang des Jahres kam mit Vilnius auch die erste europäische Hauptstadt zu unseren Kund:innen dazu. Und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) werden wir aktuell dabei unterstützt, eine deutsch-europäische Austauschplattform für Luftqualitätsdaten zu schaffen, die zukünftig als zentraler Daten-Hub die Zugänglichkeit von Luftdaten extrem verbessern soll.
Die Finanzierung der eigenen Geschäftsidee ist für viele Gründer:innen super wichtig. Wie seid ihr in dieses Thema gestartet?
Robert: Hier sind wir etwas atypisch unterwegs: Wir sind noch immer „gebootstrapped“, also ohne externes Venture Capital unterwegs. Wir haben gesehen, dass unser Social Impact-Modell nicht wirklich mit den klassischen Venture Capital-Gebern und dem Geschäftsmodell des Exits nach 5-10 Jahren vereinbar ist. Wir finanzieren uns deshalb aus unseren Umsätzen - das stellt unser Geschäftsmodell auch auf ein solides und nachhaltiges Fundament.
Wie würdest du das Team hinter Breeze Technologies beschreiben? Was macht euch aus?
Robert: Der gesellschaftliche Impact ist uns extrem wichtig. Schon in den Auswahlgesprächen sprechen wir mit den Kandidat:innen darüber, wie sie das Thema Nachhaltigkeit leben. In Team-Workshops haben wir sechs Kernwerte für unser Miteinander definiert: Zuverlässigkeit, Respekt, gemeinsame Unterstützung, Enthusiasmus, Empathie und Teamwork. Besonders wichtig ist das, weil wir sehr divers sind: Mit 18 Teammitgliedern sind bei uns 7 Nationalitäten vertreten; unsere Teamsprache ist Englisch. Von Umweltwissenschaftler:innen, über Hardware- und Software-Expert:innen bis hin zu unserem Business-Team ziehen wir alle an einem Strang.
Welchen Tipp hast du für Startup-Gründer:innen in Hamburg?
Robert: Egal wie das Geschäftsmodell aussieht, es macht auf jeden Fall Sinn von Anfang an eine Person für das Thema Business Development zu haben - noch bevor das Produkt wirklich fertig ist. Viele Gründende machen den Fehler, möglichst wenigen von ihrer Idee zu erzählen, "damit sie niemand klaut". Das macht in meinen Augen absolut gar keinen Sinn. Im schlechtesten Fall erhält man wertvolles Feedback von potenziellen Kund:innen für die eigene Produktentwicklung; im besten Fall findet man bereits erste Pilotkund:innen oder Partner:innen, die einen bei der Entwicklung unterstützen möchten.
Was habt ihr in Zukunft mit Breeze Technologies vor?
Robert: Wir sind aktuell dabei, national und international zu expandieren und suchen hierfür diverse neue Teammitglieder:innen, zum Beispiel in den Bereichen Marketing, Sales und Softwareentwicklung. Mit den bereits gesammelten Luftmessdaten sind wir mittlerweile in der Lage, mehr und mehr zusätzliche Nutzungsszenarien zu realisieren: zum Beispiel automatische Waldbranderkennung in den USA, oder Routing durch die Straßen mit der besten Luftqualität für Asthmatiker. Solche Use Cases werden wir in der Zukunft noch weiter ausbauen und suchen dafür auch nach weiteren Partner:innen, die ein Interesse an den entsprechenden Luftqualitätsdaten für ihre eigenen Anwendungen haben. Ich glaube, wir können uns heute noch gar nicht vorstellen, was in der Zukunft alles mit diesen Daten möglich sein wird. Es bleibt auf jeden Fall spannend!
Vielen Dank Robert, für das Interview und die spannenden Insights zu Breeze Technologies.