Wenn es um künstliche Intelligenz (KI) geht, ist neuroflash eine der ersten Adressen in Hamburg. Im Laufe seiner Geschichte hat das Startup mehrfach sein Geschäftsmodell überarbeitet und ausgeweitet. Mittlerweile hilft es nicht nur bei der automatischen Erstellung von Texten, sondern kreiert auch Bilder mithilfe von KI.
Am Anfang stand ein echter Pivot
Einen der begehrten Plätze im Microsoft Accelerator in Berlin zu ergattern war für Dr. Jonathan Mall ein wichtiger Karriereschritt. Der Neuropsychologe hatte zwar schon einige Erfahrungen im Bereich Marketing gesammelt, als Gründer stand er jedoch noch ganz am Anfang. Beim Einstieg in den Accelerator im September 2015 hieß sein Startup Recommend.to und er wollte frischen Wind in das Empfehlungsmarketing bringen. Am Ende des Programms im Dezember stand dann Neuro Flash als Firmenname auf Jonathans Visitenkarte, und auch das Geschäftsmodell hatte sich gründlich geändert.
Ein Fachgebiet des Unternehmers mit wissenschaftlicher Expertise beschäftigt sich mit der Frage, wie Menschen auf bestimmte Reize und Wörter reagieren. Eine Frage, die auch in der Werbebranche eine entscheidende Rolle spielt, wenn es um die erfolgversprechendste Text- und Bildauswahl für eine Kampagne geht. Dabei fließen Bauchgefühl und Erfahrungswerte ebenso ein wie Ergebnisse aus der Marktforschung. Neuro Flash ging da noch einen Schritt weiter und führte Onlinebefragungen mit über 60.000 Teilnehmenden über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren durch. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse ermöglichten eine tiefgehende Analyse von bestimmten Begriffen in bestimmten Textzusammenhängen.
Immer bessere Ergebnisse dank KI
Das führte teilweise zu auf den ersten Blick verblüffenden Ergebnissen. So sollte man denken, dass das Attribut „gesund“ uneingeschränkt positiv besetzt ist. Aus medizinischer Sicht stimmt das auch, doch bei Lebensmitteln sieht das etwas anders aus. Eine gesunde Ernährung gilt zwar als erstrebenswertes Ziel, hier ist der Begriff aber indirekt eher mit Verzicht als mit Lebensfreude verknüpft. Ein Nahrungsmittel sollte daher nicht nur als „gesund“ beschrieben werden, sondern auch noch als „lecker“ oder „köstlich“, um den gewünschten Kaufimpuls zu erzeugen.
Mit solchen Hilfestellungen konnte Neuro Flash nachweislich Formulierungen von Werbebotschaften optimieren und zahlreiche Kunden gewinnen. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz führte zu immer differenzierteren Ergebnissen und machte herkömmliche Befragungen zunehmend überflüssig. Zugleich läutete der Ausbau der KI einen weiteren Richtungswechsel bei dem Startup ein, der über die Beurteilung bereits bestehender Texte weit hinausgehen sollte.
OpenAI ist ein Forschungslabor für künstliche Intelligenz, das 2015 unter anderem von Elon Musk gegründet wurde und 2019 ein Milliardeninvestment von Microsoft erhielt. 2020 veröffentlichte OpenAI GPT-3, ein Software-Sprachmodell zur Erstellung von Texten, die auch ein Mensch geschrieben haben könnte. GPT-3 soll 10 % des damals verfügbaren Internets gelesen haben. Genau weiß das niemand, aber auf jeden Fall verarbeitete die dahinterliegende KI viele Millionen Texte und generierte viele Milliarden Parameter. Das befähigt das Modell, unter Vorgabe einiger Stichworte und Informationen komplette veröffentlichungsreife Texte zu erzeugen.
Bei den KI-Profis von Neuro Flash erregte die Nachricht große Aufmerksamkeit, zumal über eine Schnittstelle der Zugriff auf GPT-3 möglich ist und somit auch eine Verbindung mit der eigenen Software. Als erster Test diente die Erstellung eines Betreffzeilengenerators. Die Qualität einer Betreffzeile hat einen wesentlichen Einfluss auf die Öffnungsrate von E-Mails, die im großen Stil verschickt werden. Der Generator lieferte durchaus brauchbare Ergebnisse, für ein tragfähiges Geschäftsmodell reichte es aber nicht.
Als neuroflash die erste Finanzierungsrunde
Auch wenn die Texte, die GPT-3 liefert, teilweise als beängstigend gut bezeichnet wurden, ist wie bei jeder KI die Qualität des Ergebnisses abhängig von der Qualität der eingegeben Daten. Was die Qualität von Texten angeht, bringt Neuro Flash bekanntlich eine Menge Erfahrung mit. Oder besser gesagt, die neuroflash GmbH, wie sich das Startup seit 2021 nennt, denn mit der erneuten Änderung des Geschäftsmodells ging auch eine leichte Modifikation des Namens einher.
Die neue Idee von neuroflash: Mit einem Zeitaufwand von maximal fünf Sekunden fünf hochwertige Textvorschläge zur direkten Weiterverarbeitung zu produzieren. Nach einer Testphase im Sommer 2021 konnte das Startup renommierte Unternehmen wie Telekom, Tesa oder Tchibo von sich überzeugen und strategische Partnerschaften aufbauen. Auch eine Reihe von Business Angels wurde auf neuroflash aufmerksam, sodass im März 2022 eine Finanzierungsrunde in Höhe von 800.000 Euro verkündet werden konnte. Beteiligt waren Michael Diehl, Marcus Hodgkinson und Sebastian Heinz.
Die Schweiz als erstes internationales Standbein
Das besondere an neuroflash ist, dass es nicht nur bei der Textgenerierung hilft, sondern auch die Tauglichkeit der Ergebnisse validiert. Dieses Alleinstellungsmerkmal hat es seinen früheren Erfahrungen bei der Textanalyse zu verdanken. Dementsprechend nutzen auch nicht in erster Linie Jounalist:innen den Service, die Hauptzielgruppe liegt nach wie vor in der Werbebranche und bei Marketingagenturen. Dabei sorgen nicht nur große Konzerne für Umsatz, auch viele kleinere Unternehmen, etwa aus dem E-Commerce-Bereich, greifen auf das Angebot zurück.
Der Textgenerator, genannt „magische Feder“ ist in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Polnisch, Italienisch und Holländisch verfügbar und deckt damit theoretisch die meisten wichtigen Märkte in Europa ab. Noch liegt der Fokus aber auf der DACH-Region. Besonders erfolgreich ist neuroflash in der Schweiz. Kunden wie Credit Suisse, Swisscom und Lidl Schweiz belegen das. Folgerichtig gründete das Hamburger Startup im Juli 2022 eine Niederlassung bei den Eidgenossen. Als besonderer Clou kam zu diesem Anlass Schweizer Hochdeutsch als weitere Sprache hinzu.
Wachstum dank neuer Funktionen – und Bilder
Für 2023 hat sich das Führungsteam, dem neben Jonathan Mall als CIO inzwischen auch Jens Windel (CEO) und Henrik Roth (CMO) angehören, die Erschließung weitere Märkte vorgenommen. „Wir wollen die Nummer 1 in Europa werden und die Qualitäts- und Technologieführerschaft übernehmen“, gibt Jens Windel die Marschrichtung vor. Neue Funktionen wie eine integrierte SEO-Analyse oder ein Plagiatcheck sollen dazu beitragen.
Vielleicht wird die weitere Expansion nicht nur mit der Erstellung von Texten gelingen. Oft stellt die Beschaffung von geeignetem Bildmaterial etwa bei Blogbeiträgen die größere Herausforderung dar. Auch hier gibt es nun eine Lösung dank künstlicher Intelligenz. Für die Testphase kann man sich bei neuroflash jetzt anmelden und auf der Webseite sind auch schon erste Ergebnisse zu bewundern. Die Qualität der Bilder lässt erahnen, dass hier eine echte Konkurrenz zu den konventionellen Anbietern von Stockfotos entsteht.