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Laut einer Studie vom Deutschen Startup-Verband und der Friedrich Naumann Stiftung aus dem Jahr 2023 ist bei rund 60 Prozent der deutschen Unicorn-Startups mindestens eine Person mit Migrationshintergrund im Gründer:innen-Team. Diese in der Regel hochmotivierten Gründer:innen stellen mit 21 Prozent einen bedeutenden Teil des Startup-Ökosystems in Deutschland dar, wobei über die Hälfte (58 Prozent) von ihnen außerhalb Deutschlands geboren wurde.
Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig internationale Gründer:innen für die deutsche Startup-Szene sind. Die Studie hebt hervor, dass viele dieser Gründer:innen innovative Geschäftsideen einbringen und oft in Branchen tätig sind, die einen hohen Bedarf an neuen Technologien, Dienstleistungen und Produkten haben. Trotz ihrer Erfolge sehen sich internationale Gründer:innen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, wie z.B. erschwerter Zugang zu Finanzierung, fehlendes Business-Netzwerk sowie verschiedene bürokratische und sprachliche Hürden.

Wenn in der Gründer:innenbrust zwei Herzen schlagen

2hearts ist Europas größte Community für multikulturelle Talente in der Tech-Branche. Seit der Gründung hilft 2hearts Gründer:innen und Young Professionals maßgeblich bei der Unternehmensgründung, beim Fundraising, bei der Jobsuche, der Karriere, aber auch bei der Findung ihrer kulturellen Identität und ihrer persönlichen Entwicklung. Das gemeinnützige Netzwerk bietet Mentoring sowie gegenseitige Unterstützung bei kulturellen Herausforderungen. Es verschafft den Startup-Gründer:innen nicht nur Zugang zu potenziellen Investor:innen, sondern auch zu Wissen und Erfahrungen. Die Organisation setzt auf die Kraft der Gemeinschaft, um mehr Diversität und Chancengleichheit in der Gesellschaft zu bewirken. Der Name 2hearts steht für die gefühlte Zugehörigkeit zu zwei oder mehr Kulturen. In Hamburg ist 2hearts seit 2023 vertreten, aktuell mit einer Regionalgruppe von rund aktiven 200 Mitgliedern.

Zitate

Interview mit
Elnura Ashimova

Elnura Ashimova ist Chief Operating Officer bei 2hearts, betreut unter anderem die strategischen Partnerschaften, die Organisationsplanung sowie verschiedene laufende Projekte. Im Interview erklärt sie unter anderem, was internationale Startup-Gründer:innen bewegt und welche Unterstützung 2hearts ihnen geben kann.

© 2hearts

Wie kam es zur Gründung von 2hearts? Gab es ein Schlüsselerlebnis oder eine besondere Motivation?

Die Idee zu 2hearts entstand im Jahr 2020, als sich vier beruflich erfolgreiche Persönlichkeiten über ihre eigenen Erfahrungen als internationale Gründer:innen in der Tech-Branche austauschten: Gülsah Wilke (Partnerin und Leiterin des Deutschland‑Büros der Venture Capital-Firma DN Capital), İskender Dirik (Seriengründer und Venture Capitalist), Oktay Erciyaz (Senior Advisor, Investor und aktiver Aufsichtsrat, u.a. bei Paximum.com Global Travel Marketplace) und Min‑Sung Sean Kim (General Partner bei NGS Capital). Sie stellten jeweils fest, dass ihnen auf ihren beruflichen Wegen durchaus ein unterstützendes Netzwerk fehlte, das ihre individuellen kulturellen Hintergründe versteht. Diese gemeinsame Erkenntnis gab den Anstoß zur Gründung einer Community, die Talente mit ähnlichen Biografien gezielt fördern sollte.

Wie konkret ist 2hearts aufgestellt und was sind die Ziele?

Mit 2hearts möchten wir multikulturelle, benachteiligte Talente in der Tech-Branche stärken und dieses ungenutzte Potenzial sichtbar machen und entfalten – denn unsere Zukunft braucht ambitionierte und talentierte Köpfe – unabhängig von ihrer Herkunft – um Innovation, Wachstum und Wohlstand zu sichern. 2hearts setzt sich aus fünf Teams zusammen, die von über 50 engagierten ehrenamtlichen Volunteers getragen werden. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, junge Menschen mit Migrationsgeschichte gezielt zu fördern und zu begleiten. Die Aktivitäten von 2hearts basieren auf drei zentralen Säulen: Community-Plattform – für den Austausch, die Vernetzung und gegenseitige Unterstützung. Karriere & Entrepreneurship – mit Fokus auf berufliche Orientierung, Unternehmensgründung und Zugang zu Chancen. Personal Development – mit Angeboten zur persönlichen Weiterentwicklung und Stärkung individueller Kompetenzen.

Welche Programme und Projekte bietet 2hearts?

Ein umfassendes Mentorship-Programm, vielfältige Initiativen, Veranstaltungen und exklusive Partnerangebote ergänzen das Angebot und sorgen für eine ganzheitliche Förderung. Ziel von 2hearts ist es, junge Menschen mit Migrationsgeschichte zu empowern, ihre Potenziale zu entfalten, beruflich erfolgreich zu sein und ihre persönlichen Ziele selbstbewusst zu verfolgen. Besonders wichtig ist uns unsere Initiative 2hearts@school: Dabei bringen wir Role Models aus der Community direkt in Schulen. Durch inspirierende Vorträge erreichen wir gezielt Schüler:innen mit Migrationsgeschichte, um ihnen bereits früh Mut zu machen, an sich zu glauben. Die Initiative will Orientierung, Selbstvertrauen und Perspektiven im Tech- und Innovationsbereich vermitteln – und so einen positiven Impuls für die Zukunft setzen. Wir haben bereits erfolgreiche Events in Schulen in Düsseldorf, Dortmund und Hamburg umgesetzt und planen, diese Initiative auf unserer weiteren Chapters in Berlin, Frankfurt und München auszuweiten.

© 2hearts

Wieso möchte 2hearts insbesondere Gründer:innen der Tech-Branche fördern?

Die Tech-Branche ist innovationsgetrieben, aber gleichzeitig eine der am wenigsten diversen Sektoren. Gerade Menschen mit internationalem Hintergrund bringen einzigartige Perspektiven mit – doch ihnen fehlt oft der Zugang zu Kapital, Netzwerken und Vorbildern. 2hearts sieht in dieser Lücke großes Potenzial und möchte die Branche inklusiver gestalten. Viele internationale Gründer:innen kämpfen obendrein mit Diskriminierung, Unsicherheit bei rechtlichen Fragen oder mangelnder Sichtbarkeit. Der Support durch 2hearts ist deshalb ganzheitlich: Zugang zu Mentoring, Kontakte in die Branche, Erfahrungsaustausch – und ein geschützter Raum, in dem man sich nicht erklären muss. In Hamburg ist die Szene zwar offen, aber internationale Gründer:innen sind noch unterrepräsentiert – hier setzt 2hearts mit lokalen Events und verschiedenen Austauschmöglichkeiten an.

Welche Vorteile bietet der Standort Hamburg Gründer:innen mit Migrationshintergrund?

Hamburg bietet ein wachsendes Startup-Ökosystem, starke Infrastruktur, Internationalität und eine lebendige Tech-Szene. Durch die Nähe zu Hafen und globalen Märkten ist die Stadt besonders interessant für Gründer:innen mit internationaler Ausrichtung.

Wer kann Mitglied in der Community werden und unter welchen Bedingungen?

Mitglied werden können alle Tech-Interessierten mit Migrationsgeschichte – ob Gründer:in, Young Professional oder Student:in. Die Mitgliedschaft ist aktuell kostenfrei. Voraussetzung ist die Bewerbung über ein Onlineformular.

Welche Rolle spielen Mentor:innen bei 2hearts – und wie wählt ihr sie aus?

Mentor:innen bilden das Rückgrat der Community. Sie unterstützen Mentees in beruflichen, persönlichen und kulturellen Fragen und sind bei uns auch ohne internationalen Hintergrund willkommen, wenn sie ihre Erfahrung teilen möchten. Die Auswahl erfolgt sorgfältig, basierend auf Erfahrung, Motivation und Matching mit den Interessen der Mentees. Über 100 Mentor:innen sind bereits aktiv – darunter Gründer:innen, Tech-Expert:innen und Investor:innen.

© 2hearts

Welche Aufgaben oder Aspekte magst du persönlich im Rahmen deiner Tätigkeit bei 2hearts am liebsten?

Besonders erfüllend ist der direkte Austausch mit Mitgliedern – zu sehen, wie sich Menschen entwickeln, mutiger werden, eigene Unternehmen gründen. Besonders stolz sind wir auf Mitglieder, die über 2hearts ihre ersten Aufträge oder Co-Founder:innen oder Partner:innen für ihr eigenes Projekt gefunden haben. Viele berichten, dass sie sich zum ersten Mal „nicht allein“ gefühlt haben – ein emotionaler wie beruflicher Wendepunkt.

Wie finanziert sich 2hearts aktuell – und was sind die aktuellen Pläne für Wachstum oder Monetarisierung?

Aktuell wird 2hearts durch Förderpartner, Spenden und freiwilliges Engagement finanziert. Ein internationales Rollout ist denkbar – und erste Anfragen aus europäischen Ländern liegen bereits vor. Dennoch bleibt Deutschland der Ausgangspunkt. Ziel ist ein starkes, europaweites Netzwerk, das sich lokal verankert und international vernetzt.

Was muss sich deiner Meinung nach in der deutschen Politik und (Tech-)Gesellschaft ändern, damit Diversität wirklich gelebt wird?

Diversität muss über Lippenbekenntnisse hinausgehen. Es braucht Offenheit in Führungsetagen, gezielte Förderprogramme, Abbau bürokratischer Hürden, sichtbare Vorbilder und Zugang zu Kapital für marginalisierte Gruppen. Vor allem aber: die Einsicht, dass Internationalität kein Defizit ist – sondern ein echter Wettbewerbsvorteil.

Welchen Rat würdest du Gründer:innen mit Migrationsgeschichte geben, die gerade erst loslegen?

Sucht euch Mentor:innen. Baut euch ein unterstützendes Netzwerk auf. Nutzt eure kulturelle Perspektive als Ressource – nicht als Hindernis. Und ganz wichtig: Habt keine Angst davor, euch sichtbar zu machen. Eure Geschichte zählt!

Wie kann man 2hearts konkret unterstützen – als Einzelperson, Unternehmen oder Organisation?

Als Einzelperson kann man Mentor:in werden, die Community unterstützen oder eigene Erfahrungen teilen. Unternehmen können Partnerschaften eingehen, Veranstaltungen ermöglichen oder Sponsor:innen werden. Jede:r, der oder die Türen öffnen kann – ist willkommen. Über unsere Web-Seite können Einzelpersonen oder Unternehmen auch spenden.

Zitate

Interview mit Noah Raissi

Was das Angebot von 2hearts bei Gründer:innen bewirkt, konnten wir mit Noah Raissi besprechen: Er ist Mitglied im Hamburger Chapter von 2hearts und Gründer des Online-Karriereportals Rukki – einer digitalen Plattform, die klassische Berufsorientierung neu denkt: Jugendliche erleben echte Jobs in unterschiedlichen Formaten und Unternehmen begegnen Nachwuchs auf Augenhöhe – effizient, praxisnah und vollständig organisiert.

© Claudia Hohne

Noah, wie hat dir 2hearts bei der Startup-Gründung geholfen?

Ich habe meinen Co-Founder bei einem 2hearts-Event kennengelernt. Und unser Geschäftsmodell ist ebenfalls eine Folge zahlloser inspirierender Gespräche innerhalb der Community von 2hearts. Indem wir Jugendlichen echte Einblicke in unterschiedlichste Berufsfelder ermöglichen, leben und teilen wir die Werte, für die auch 2hearts steht: Chancengleichheit, Vielfalt und Perspektiven für alle.

©Mediaserver Hamburg / Christian Brandes

Von welchen Angeboten konntest du am meisten profitieren und warum?

Ich persönlich habe den größten Mehrwert aus den Offsite-Events gezogen, zum Beispiel das monatliche Dinner in unterschiedlichen Restaurants: Man begegnet bei einem gemeinsamen Essen den anderen Teilnehmenden auf einer viel verbindlicheren Ebene als bei einer reinen Netzwerkveranstaltung. Der allen gemeinsame internationale Hintergrund ist außerdem ein gutes Einstiegsthema für Gespräche.

Was gefällt dir bei 2hearts im Vergleich zu anderen Business-Netzwerken besonders gut?

Ich komme zwar aus Hamburg, habe aber im Ausland studiert und meine Freundin ist Spanierin – zuhause sprechen wir daher nur englisch. Deshalb fühle ich persönlich mich in englischsprachigen Gruppen wohler und empfinde ein internationales Publikum als offener und zugewandter. Die Deutschen erlebe ich vergleichsweise verschlossen und habe den Eindruck, dass es für Menschen mit Migrationsgeschichte eher schwierig ist, in rein deutschen Netzwerken Zugang zu finden. Letztlich ist das natürlich nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein gesellschaftliches Problem.

© mediaserver hamburg / christian brandes

Wo hakt es deiner Ansicht nach in der deutschen Gründerlandschaft für Migrant:innen?

Primär fehlt es an englischsprachigen Angeboten. Wenn man zudem nicht ausreichend Deutsch kann und zum Beispiel Gründungszuschüsse oder Fördermittel beantragen möchte, stößt man schnell auf sprachliche und organisatorische Hürden. Auch werden die meisten Gründer-Events nur auf Deutsch abgehalten, einige wenige Formate gibt es gezielt für Migrant:innen. Besser wäre jedoch eine Vermischung der Gruppen, sodass alle von Vernetzung und Synergien profitieren können. Solche Events würden sich definitiv positiv auf die Vertrauensebene im Business-Kontext auswirken, denn generell bemerke ich oftmals in Deutschland eine unausgesprochene Diskriminierung gegenüber Nicht-Deutschen: Rückblickend kann ich behaupten, dass ein nicht als "typisch deutsch" wahrgenommener Nachname in beruflichen Situationen durchaus einen Unterschied machen kann – besonders bei Erstkontakten oder beim Aufbau eines Netzwerks. Es fühlt sich oft so an, als müsste man erst eine zusätzliche Schicht an Skepsis durchbrechen.

Was rätst du internationalen Gründer:innen?

Auch wenn der Behördendschungel am Anfang undurchsichtig scheint, lohnt es sich unbedingt, sich da durchzukämpfen, denn es gibt für Gründer:innen viele Förderungen und Unterstützungsmöglichkeiten. Man sollte akzeptieren, dass es in Deutschland vielleicht regelbasierter und bürokratischer ist als woanders, dafür aber auch so manche Probleme gut gelöst werden oder erst gar nicht auftreten. Ganz wichtig ist, sich ein effektives und inspirierendes Netzwerk zu schaffen, das einem mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. Bei 2hearts findet man viele Vorbilder und das ist ermutigend und inspirierend – nicht nur für Menschen, die frisch eingewandert sind, sondern auch für jene, die in Deutschland aufgewachsen sind, sich aber aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds oft nicht vollständig zugehörig fühlen. Für alle, die sich zwischen Herkunft und Heimat, Humor und Höflichkeitsfloskeln, Selbstzweifeln und Startup-Träumen bewegen, kann unsere Community ein Ort sein, an dem sie gesehen, verstanden und gestärkt werden.

Herausforderungen für migrantische Gründer:innen: 2hearts-Community @HHIS 25

Bürokratie? Visa? Wohnen? Was sind die größten Herausforderungen für Startup-Gründer:innen mit Migrationshintergrund? Die 2hearts-Community hat sich auf dem Hamburg Innovation Summit 2025 getroffen, um darüber zu diskutieren. Hier sind die Highlights!


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