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Die Gründung eines wissensbasierten Startups direkt aus der Hochschule unterliegt in der Regel einigen Besonderheiten: Sie dauert länger als bei einem schon bewährten Geschäftsmodell, denn das jeweilige Produkt oder die Dienstleistung sind absolut innovativ und somit komplett neu auf dem Markt. Nicht wenige Gründer:innen brauchen Laborbedingungen, die in üblichen Gründungszentren nicht vorhanden sind. Das Gründungsteam formiert sich aus Personen aus der Wissenschaft, denen oftmals das notwendige kaufmännische Know-how fehlt.


Mit diesen für Wissensgründungen typischen Hürden sind Dr. Dorothea Ringe, Leiterin des Start-up Offices beim Deutschen Elektronen Synchroton DESY, und Dr. Christian Salzmann, Leiter des Gründungszentrums „Startup Port @TUHH“ der Technischen Universität Hamburg (TUHH) bestens vertraut. Wir haben die beiden zu Gründerförderungsangeboten und Chancen für wissensbasierte Unternehmensgründungen aus den Hamburger Hochschulen befragt:

© Startup Port

Was ist die Funktion vom Startup Port?

Salzmann: Der Startup Port Verbund vernetzt die Gründungsangebote der dazugehörigen Forschungseinrichtungen und Universitäten aus der Metropolregion Hamburg. Die Start-up Offices beim Deutschen Elektronen Synchroton DESY gehören dazu und ebenso das Gründungszentrum „Startup Port @TUHH“ der Technischen Universität Hamburg. Dadurch existieren speziell für Gründer:innen mit wissenschaftlich basierten Unternehmensideen eine exzellente Netzwerkstruktur, eine starke Wissenschaftsnähe und ein umfassendes Angebot an Coachings, Workshops, Betreuung, Wissenstransfer und Best Practice-Möglichkeiten.

©mediaserver.hamburg/Jochen Stüber: DESY

Was bietet das DESY Startup Office?

Ringe: Wir sind auf die Unterstützung von Gründungsteams spezialisiert, die technologisch zum DESY-Campus passen und sich in Hamburg ansiedeln wollen, also vor allem aus den Branchen Photonik, Life Science, Neue Materialien, Elektronik, Nanotechnologie und Laser- und Detektorentwicklung. Durch die Zugehörigkeit zum Startup Port Verbund können wir Gründungsunterstützung und Vernetzungsangebote auch für Teams anbieten, die nicht von DESY kommen. DESY ist international sehr gut vernetzt, weil wir im Bereich der physikalischen Grundlagenforschung weltweit führend sind.

©Startup-Labs Bahrenfeld

Darüber haben wir sehr gute Kontakte in das Startup Ökosystem, zu Mentor:innen, in die Industrie, zu Investor:innen und zu anderen Forschungseinrichtungen. Für Gründer:innen in der Vorgründungsphase bieten wir einen Coworking-Space mit Arbeitsplätzen sowie einen Makerspace. Wenn die Unternehmen gegründet sind, können sich die Teams in den Startup Labs Bahrenfeld einmieten. Wir betreuen Ausgründungen, die zum Teil hochkomplexe Produkte anbieten, die in den ersten Jahren nach der Gründung permanent weiterentwickelt werden müssen. Dafür braucht es Laborräumlichkeiten, die sehr speziellen Anforderungen genügen müssen: Laserlabore beispielsweise brauchen sehr dicke Böden, damit keine Gebäudeschwingungen die Messungen beeinflussen. In Laboren, die im Lifescience-Bereich benötigt werden, dürfen natürlich keine Viren oder Bakterien nach außen dringen. Es gibt nur wenige entsprechende Labore, die von gegründeten Startups gemietet werden können, denn dann haben sie ja in der Regel keinen Zugriff mehr auf die Räumlichkeiten der Universitäten.

Worin liegen die größten Herausforderungen, vor denen speziell Gründer:innen aus Forschung und Wissenschaft stehen? Welche Ihrer Maßnahmen helfen dabei, diese zu meistern?

Ringe: Irgendwann stellt sich allen Gründungsteams aus der Wissenschaft die Frage, wie sie sich das nötige unternehmerische und betriebswirtschaftliche Know-how aneignen können. Meistens stößt früher oder später jemand mit kaufmännischem Wissen zum Team dazu. Aber unabhängig davon müssen natürlich alle gründungswilligen Wissenschaftler:innen theoretisch in der Lage sein, den kaufmännischen Part im Unternehmen zu übernehmen. Dabei zu unterstützen ist eine unserer ganz zentralen Aufgaben. Dafür haben wir ein Qualifizierungsprogramm für Wissenschaftler:innen ohne konkrete Gründungsidee gestartet, die sich aber dennoch schon mit dem unternehmerischen Know-how vertraut machen möchten. Investorengruppen achten stark darauf, dass auch der kaufmännische Teil eines Startups durch kompetente Businesserfahrung abgedeckt wird.

Außerdem beinhaltet unser Programm im Rahmen des Business Model Sprints die systematische Durchführung von mindestens zehn Kundeninterviews, da dadurch das Kundenproblem validiert wird und so die Teams schon vor der Gründung erste potentielle Auftraggeber gewinnen. Das Ziel ist dabei, dass die Gründungsteams mit ihren potenziellen Kunden kontinuierlich in Dialog bleiben, um das Produkt passend für den Markt weiterzuentwickeln und an die teilweise auch internationalen Kundenbedürfnisse anzupassen. Dabei hilft natürlich unser großes Netzwerk.

„Irgendwann stellt sich allen Gründungsteams aus der Wissenschaft die Frage, wie sie sich das nötige unternehmerische und betriebswirtschaftliche Know-how aneignen können.“
Dr. Dorothea Ringe, Leiterin DESY Start-up Office

Salzmann: Es kommt immer darauf an, in welcher Phase sich die Gründer:innen gerade befinden: Ganz am Anfang gilt es, eine Unternehmensgründung überhaupt als Möglichkeit zu erkennen. Dann muss die Idee konkretisiert werden. Dann braucht man Geld, um in den ersten Monaten zu überleben, um das Geschäftsmodell zu durchleuchten, das Produkt zu entwickeln und die Geschäftsidee zuzuspitzen. Der Markteintritt ist dann das nächste Problem, dann ist es das Wachstum und so weiter. Manchmal gibt es Schwierigkeiten, das Team zusammenzustellen, manche haben Probleme untereinander. In einer Gruppe muss regelmäßig geklärt sein, wer welche Rolle und Aufgaben übernimmt und welche Erwartungen untereinander und an das Startup bestehen.

Deshalb drängen wir in jeder Gründungsphase immer wieder darauf, das zu reflektieren: Bin ich die Rampensau? Oder bin ich eher die Person, die im Hintergrund etwas entwickelt und gar nicht mit fremden Personen spricht? Was erwarte ich von den anderen? Wie gehen wir zum Beispiel mit einem Übernahmeangebot um? Wollen wir das Produkt unbedingt selbst auf den Markt bringen oder lieber reich werden? Diese Konflikte lassen sich lösen, wenn man entsprechend im Austausch bleibt und auch stetig selbst reflektiert, was einem wichtig ist.

„Konflikte innerhalb Startup Teams lassen sich lösen, wenn man im Austausch bleibt und auch stetig selbst reflektiert, was einem wichtig ist.“
Dr. Christian Salzmann, Leiter des Gründungszentrums „Startup Port @TUHH“

Zeichnen sich bei den derzeitigen Gründungsmodellen Trends oder Schwerpunktbranchen ab und falls ja, welche?

Ringe: Es gibt eine sehr breite Streuung der Gründungsideen im Deep-Tech Bereich. Dabei spielt natürlich KI eine zunehmende Rolle.
Salzmann: An der Technischen Universität bekommen wir Anfragen aus allen Bereichen – von der Verfahrenstechnik bis hin zur IT und so weiter. Aber es fällt schon auf, dass Künstliche Intelligenz bei den Hardware-Gründungen immer mehr ein Tool wird. Und es ist auffällig, dass zunehmend der Wunsch besteht, etwas zu schaffen, was einen positiven Impact auf die Gesellschaft oder das Klima gibt. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Ausgründung traceless : Da basiert das Geschäftsmodell, die Erfindung einer nachhaltigen Kunststoffalternative, auf einer Doktorarbeit der Gründerin an der TUHH.

©Angela Pfeiffer: Wissenschaftler im DESY Labor

Warum ist es wichtig, dass besonders Studierende und Forschende zur Gründung ermutigt werden?

Salzmann: Studierende haben zwei Vorteile: Sie entwickeln in ihrem Studium eine Fachexpertise, mit der sie bestimmte Probleme lösen können, an denen andere scheitern. Studierende verfügen gerade im späten Master-Studium über spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten, die außerordentlich sind. Außerdem haben sie ein so offenes Mindset, dass es ihnen häufig leichter fällt, ein wenig um die Ecke zu denken und neue kreative Ideen zu entwickeln.

Wie könnte sich das Hochschulumfeld verändern, damit es aus diesem Umfeld zu noch mehr erfolgreichen Gründungen kommt?

Salzmann: Wir erhalten in Hamburg von den Hochschulleitungen eine hohe Unterstützung für das Thema Gründung, was nicht an allen Standorten in Deutschland selbstverständlich ist. Die Schwierigkeit liegt dabei natürlich immer am nicht vorhandenen Geld. Denn wenn Hochschulen Mittel für Gründungsfördermaßnahmen aus dem Grundhaushalt nehmen, wird daran kritisiert, dass dies nicht die Kernaufgabe einer Hochschule ist – denn die besteht ja in der Forschung und Lehre. Hohe Ausgaben für Gründerförderung sind für das Management einer Hochschule bei knappen Kassen eine Herausforderung. Dieses Problem würde man lösen, wenn jede Universität langfristig und nicht nur projektweise zweckgebundene Mittel zur Verfügung hätte, die ausschließlich für das Thema Gründen ausgegeben werden dürfen. Und natürlich ist es hilfreich, wenn viele Professor:innen das Thema vorantreiben und die Studierenden und Forschenden immer wieder bei passender Gelegenheit dazu ermutigen, doch auch mal über die Entwicklung eines möglichen Geschäftsmodells nachzudenken.

Wie alt sind die Gründer:innen, die Ihre Hilfe suchen im Durchschnitt?

Salzmann: Das Durchschnittsalter der Gründer:innen, die wir unterstützen, liegt etwa bei Ende Zwanzig bis Anfang Dreißig, weil sie entweder aus dem Studium kommen oder in der frühen Phase der wissenschaftlichen Forschung sind. Manche haben schon ein paar Jahre gearbeitet und kommen als Alumni mit einer Gründungsidee zu uns.

Gründerinnen im fortgeschrittenen Alter kommen aktuell überwiegend über das seit Mitte 2023 existierende EXIST-Women-Programm, für das wir zehn Stipendien vergeben konnten und das sich an Frauen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit einer Idee in einer sehr frühen Phase richtet. Für die ist es eine gute Option, sich mehrere Monate intensiv um ihre Gründungsidee kümmern zu können und dabei Unterstützung zu erhalten. Diese Gründerinnen stehen manchmal vor Herausforderungen, die ihre männlichen Kollegen aufgrund von klassischen geschlechterspezifischen Rollenverteilungen seltener haben, wie z.B. die Vereinbarkeit von Gründung mit der Care-Arbeit in der Familie. Bei uns an der Technischen Universität haben wir generell ein großes Problem, Female Founder zu finden, was natürlich daran liegt, dass der Frauenanteil hier sehr gering ist.

© Mediaserver Hamburg / Martin Elsen

Die Science City Bahrenfeld ist ein großes Zukunftsprojekt für die Forschung am Standort Hamburg: Was bedeutet das zukünftig für Startups und Ausgründungen aus der Wissenschaft?

Ringe: Gerade für Startups steigt natürlich die Standortattraktivität durch die Fertigstellung neuer Gebäude und Infrastrukturen: Der tecHHub ist noch für 2024 geplant und die DESY Innovation Factory wird voraussichtlich in 2027 folgen. Außerdem lassen sich weitere Forschungsinstitute direkt auf dem Campus nieder, was zu einer engeren Verzahnung von Wohnen und Arbeiten führt. Wir gehen davon aus, dass es für das DESY Startup-Office zu einer deutlich höheren Nachfrage nach Unterstützungs- und Vernetzungsangeboten im Innovations- und Gründungsbereich geben wird und planen, unsere Angebote entsprechend auszuweiten.

Welche Zukunftspläne gibt es für den Startup Port Verbund und das DESY Start-up Office als ein Teil davon?

Ringe: Wir möchten unsere Angebote in der Science City weiter ausbauen und die Zusammenarbeit mit den Partner:innen im Startup-Ökosystem erweitern, sodass sich die öffentlich geförderten Angebote komplementär ergänzen. Die Universität Hamburg, die TUHH und DESY arbeiten aktuell am Hamburger Antrag für den Startup Factory Wettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Hamburg hat gerade die zweite Runde des Wettbewerbs erreicht. Das Hamburger Konzept legt den Fokus auf die Bereiche Neue Materialien, Data Science und KI, in denen wir hohe Kompetenz haben. Im Zusammenspiel zwischen den Partner:innen des Startup Port Verbundes und der Startup Factory wird Hamburg fantastische Rahmenbedingungen für Gründungen aus der Wissenschaft bieten können. Das Ziel ist es, eine Startup Factory mit internationaler Strahlkraft zu errichten.

Salzmann: Der Verbund hat dabei die Rolle, die Zusammenarbeit der Partner:innen so zu gestalten, dass Doppelstrukturen verhindert werden und die Arbeit an jedem Standort effizient gestaltet werden kann. So werden manche Angebote im Verbund realisiert, die auf diese Weise besser funktionieren, wie z.B. die Formate Startup Port Lounge oder die Startup Port Toolbox. Gleichzeitig wird intensiv voneinander im Verbund gelernt und sich ausgetauscht, um so ein besseres Angebot für Gründer:innen zu schaffen, als wenn jede Institution unabhängig Gründungsunterstützung anbietet. Dabei ist es wichtig, bedarfsorientierte Angebote zu entwickeln, denn wir arbeiten in einem so hochdynamischen Feld, in dem immer wieder neue Bedarfe entstehen, die wir natürlich decken möchten, um Gründer:innen bestmöglich unterstützen zu können.


Autor

Startup City Hamburg

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