dpv-analytics sorgt mit myritmo für gesündere Herzen
Das Hamburger Startup dpv-analytics verbindet mit seinem Geschäftsmodell gleich zwei zukunftsträchtige Themen: Medizintechnik und künstliche Intelligenz. Unter dem Namen myritmo bietet es ein Mini-EKG-Gerät an und hat zugleich die Software zur Datenauswertung dazu entwickelt.
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Erfahrene Mediziner als Gründer
Die häufigste Todesursache in Deutschland sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Laut Statistischen Bundesamt waren sie 2023 für 22,9 % aller Todesfälle verantwortlich, in absoluten Zahlen waren das 348.300. Erstes Indiz für einen kommenden Herzinfarkt oder Schlaganfall sind oft Herzrhythmusstörungen, am häufigsten Vorhofflimmern. Die gute Nachricht: Diese Störungen lassen sich durch ein Langzeit-EKG zuverlässig messen und analysieren, um gegebenenfalls Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Die schlechte Nachricht: Die dafür üblicherweise verwendeten Geräte sind relativ teuer und haben einen geringen Tragekomfort, gerade bei Anwendungen, die länger als 24 Stunden dauern.
In einer Zeit, in der die technologische Entwicklung immer kompaktere und gleichzeitig leistungsstärkere Lösungen ermöglicht, muss das besser gehen, dachten sich drei erfahrene Hamburger Mediziner. Dr. Ekkehard Schmidt, Dr. Stephan Kranz und Dr. Matthias Glawe bringen jahrzehntelange praktische Erfahrung im Umgang mit Herzerkrankungen mit. Auf dieser Basis gründeten sie 2018 als Spin-off des Cardologicums Hamburg ihr Startup dpv-analytics.
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ritmo ist ein kleines Gerät mit großer Leistung
Ihre Erfindung, ein Mini-EKG-Gerät, nannten sie ritmo, das Startup tritt inzwischen auch hauptsächlich unter dem Markennamen myritmo öffentlich in Erscheinung. Das System besteht aus drei Komponenten: Zunächst aus dem etwa 4,5 x 4,5 cm kleinen Mini-EKG ritmo, das per wasserfestem, latexfreien Pflaster direkt auf die Brust aufgeklebt wird und EKG-Daten für bis zu 12 Tage aufzeichnen kann. Die zweite Komponente ist eine Software, die diese Daten auswertet und dabei künstliche Intelligenz (KI) einsetzt. Als Grundlage dienen dabei rund 250.000 Patientendaten, die das Gründerteam als Mediziner über mehr als zwei Jahrzehnte gesammelt hat. Seit 2020 ist der ritmo ein EU-weit zugelassenes Medizinprodukt der Klasse IIa, und das gilt auch für die Analysesoftware. Eine der wichtigsten Hürden für den Erfolg eines Medtech-Startups war damit vergleichsweise schnell genommen.
Ein großer Vorteil von ritmo ist seine unkomplizierte Verwendung. Den Datenrekorder können Patient:innen selbst mit dem Pflaster auf ihre Brust kleben, danach müssen sie sich um nichts mehr kümmern. Das Gerät kann unter der Dusche getragen, im Schwimmbad sollte es allerdings abgenommen werden. Gemäßigte sportliche Aktivitäten sind möglich und nachts sollte es den Schlaf nicht beeinträchtigen. Gerade zu dieser Zeit lassen sich besonders aussagekräftige Daten erheben. Nach Ende der Aufzeichnungsphase wird der Rekorder auf dem Postweg in das dpv-Auswertungszentrum geschickt, wo die Daten eingelesen und ausgewertet werden. Und das ist dann die dritte Komponente: Alle Ergebnisse werden fachärztlich geprüft und im Anschluss digital bereitgestellt. Falls notwendig, kann sofort mit einer Therapie begonnen werden, da ein validierter Befund bereits vorliegt.
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KI hilft Ärzt:innen bei der Diagnose
Letzte Instanz bei der Diagnose bleiben Fachärzt:innen, doch die KI kann ihnen dabei entscheidende Hilfe leisten. Das Herz schlägt im Durchschnitt rund 100.000 Mal pro Tag, die dadurch entstehende Datenmenge ist für einen Menschen kaum zu bewältigen. Die Software von dpv-analytics berücksichtigt insgesamt 22 Faktoren bezüglich der Herzaktivitäten und ermöglicht somit die bestmögliche Früherkennung von möglichen Herzerkrankungen. Die Anwendung kann zunächst komplett in Eigenregie erfolgen, das Startup bevorzugt aber den Vertriebsweg über Ärzt:innen, die nicht zwingend auf Kardiologie spezialisiert sein müssen. Das Angebot nennt sich „Diagnostic as a Service“ und erspart den Ärzt:innen die Anschaffungskosten für die EKG-Geräte und die damit verbundene Software, die sonst schnell 3.000 Euro überschreiten können. Abgerechnet wird nur per Diagnose. Für Patient:innen ist die Übernahme der Kosten durch eine Krankenkasse nicht garantiert, wird aber in vielen Fällen gewährleistet.
2020, als ritmo marktreif und als Medizinprodukt zugelassen war, sollten also zunächst Arztpraxen als Multiplikatoren und Vertriebskanäle dienen. An die war wegen der Covid-Pandemie aber nur schwer ranzukommen. Den Durchbruch brachte daher eine Kooperation mit der Krankenversicherung Hanse Merkur, die auch als Gesellschafter einstieg und ihren Versicherten ritmo für die Vorsorge anbietet. Das ist ganz im Sinne von Dr. Ekkehard Schmidt, einem der Gründer, der das Prinzip noch einmal so zusammenfasst: „Das Praktische beim ritmo ist, dass dieses Mini-EKG für jeden Menschen überall nutzbar ist. Auch für Risikopatienten in ländlichen Regionen, wo vorwiegend ein Ärztemangel herrscht, wird dieses digitale Screening auf Vorhofflimmern schnell und mit hoher Genauigkeit ermöglicht. Vielen Schlaganfällen kann so vorgebeugt werden.“
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dpv-analytics wächst und hat noch viel Potenzial
Medizinisches Fachwissen war bei dpv-analytics von Beginn an reichlich vorhanden, für die unternehmerische Expertise sorgt seit Januar 2021 der Volkswirt Dr. Philip Nölling, der zusammen mit Dr. Stephan Kranz als Geschäftsführer fungiert. Zuvor war Nölling unter anderem für das Handelsunternehmen Otto, das Verlagshaus Gruner + Jahr und diverse Logistikunternehmen tätig. Eine weitere wichtige Personalentscheidung war 2022 die Einstellung von Stefan Gazinski als CIO, der zuvor über 18 Jahre als Head of Information Technology bei edding gearbeitet hatte. Mittlerweile gehören zum Team um die 20 Personen, mit Schwerpunkten auf Vertrieb und IT, und es soll weiter wachsen.
Das Skalierungspotenzial ist groß, so groß wie die Zielgruppe. Zu ihr gehören potenziell alle Personen über 50, Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes, alle, die unter Stress oder gar Burnout leiden, sowie Patient:innen, bei denen bereits Herzunregelmäßigkeiten festgestellt wurden. Und auch Fans von harter Rockmusik sind im Visier. Beim legendären Heavy Metal-Festival in Wacken hat sich das Startup bereits zweimal präsentiert und den Besucher:innen das Thema Herzgesundheit mit einer Carrera-Rennbahn spielerisch näher gebracht.
Für zusätzliches Wachstum kann zudem die Tatsache sorgen, dass grundsätzlich für eine Datenerfassung das ritmo-Gerät gar nicht zwingend erforderlich ist; die können auch Smartwatches übernehmen, die laut einer Befragung durch den Branchenverband bitkom bereits mehr als ein Drittel der Deutschen ab 16 nutzen. Für ein Langzeit-EKG sind sie nicht geeignet, aber schon eine 30-sekündige Datenaufzeichnung lässt wertvolle Rückschlüsse zu. Die Daten lassen sich einfach per PDF-Dokument verschicken, dpv-analytics liefert im Idealfall schon einen Tag später eine erste Analyse.
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Erfolgreich in Hamburg, Düsseldorf und Las Vegas
Auf der weltweit größten Tech-Messe CES in Las Vegas verkündete dpv-analytics im Januar 2025, dass myritmo ab sofort in die App der Smartwatches von Withings integriert sei. Withings ist ein französisches Elektronikunternehmen und führend bei der Entwicklung digitaler Gesundheitsgeräte. Die Zahl der Kund:innen, die jetzt den Service nutzen können, geht in die Millionen. Durch die Kooperation wird die Übertragung und Auswertung der Daten aus den Kurzzeit-EKGs weiter vereinfacht. Der CES-Auftritt des Startups war nicht der erste seiner Art, der für Furore sorgte. Bereits im November 2021 erhielt ritmo auf der Medica in Düsseldorf den „German Medical Award“ in der Kategorie „Medical Innovation Product“. Die Medica gilt als Leitmesse für Medizintechnik und der Preis als entsprechend prestigeträchtig. Die daraus resultierende Aufmerksamkeit führte zur Einladung zur CES 2022 und der Möglichkeit, sich dort im Deutschen Pavillon zu präsentieren.
Zur Erfolgsbilanz von dpv-analytics/myritmo gehören zudem der Gewinn des Gunnar-Uldall-Wirtschaftspreises 2022 und eine Top-3-Platzierung beim AI STARTUP AWARD, der im Rahmen des AI.SUMMIT 2024 vergeben wurde. Beide Wettbewerbe fanden in Hamburg statt. Die Hansestadt ist also ein gutes Pflaster für das Startup, nicht zuletzt, weil es hier mit Life Science Nord ein eigenes Cluster für Medizintechnik und eine vielfältige KI-Szene gibt.
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