Bei Berking Biotechnology helfen Alpakas bei der Krebsbekämpfung
Alpakas, das sind diese sympathischen Tiere aus Südamerika, die für ihre hochwertige Wolle bekannt sind. Aber sie können noch viel mehr: Das Startup Berking Biotechnology setzt die Tiere für die Erzeugung von Antikörpern ein, um damit Krankheiten von Covid bis Krebs zu bekämpfen.
Ein Zufall führte zur Entdeckung eines neuen Typs von Antikörpern
Antikörper sind Proteine, die eine wichtige Rolle im Immunsystem spielen. In der Medizin werden sie häufig aus Blut von Tieren isoliert und als Therapeutikum für verschiedene Zwecke eingesetzt, beispielsweise als Impfstoffe. Eine besondere Form sind die Einzeldomänenantikörper, auch Nanobodies genannt. Den Begriff hat sich der französische Pharmakonzern Sanofi übrigens als Markennamen geschützt. Vereinfacht gesagt, zeichnen sich Nanobodies durch eine im Vergleich zu anderen Antikörpertypen weniger komplexe Molekularstruktur aus und sind daher auch einfacher zu reproduzieren.
Entdeckt wurden die Nanobodies 1989 an der Vrije Universiteit in Brüssel durch einen Zufall. Professor Raymond Hamers führte dort ein Routineexperiment zur Isolierung von Antikörpern durch. Aus Mangel an Alternativen griff er dabei auf Dromedarblut zurück, das von einer früheren Studie übriggeblieben war. Die dabei erzeugten Antikörper unterschieden sich von allen bisher bekannten Typen. Welchen enormen Fortschritt diese Entdeckung für die Medizinforschung bedeutete, wurde erst nach und nach deutlich. Sie führte 2001 zur Gründung des Biotech-Unternehmens Ablynx, das sich auf die Entwicklung von auf Nanobodies basierenden Medikamenten spezialisierte. Mit riesigem Erfolg, der in der Übernahme durch Sanofi gipfelte. 3,9 Milliarden Euro zahlte Sanofi im Januar 2018 für Ablynx.
Privat und im Unternehmen ein Paar
Zu diesem Zeitpunkt war Berking Biotechnology ein paar Monate alt. Das Unternehmen ist nach der Biologin Dr. Anne Berking benannt, ihr Co-Founder ist Dr. Alejandro Rojas, ebenfalls Biologe. Als ihr Studium Anne in Alejandros Heimat Chile führte, bekam er den Auftrag, sich um den Gast aus Deutschland zu kümmern. Diese Aufgabe nahm er so ernst, dass aus den beiden ein Ehepaar wurde. Als Anne an ihre Stammuniversität in Konstanz zurückkehrte, begleitete er sie und schloss dort sein Studium ab. Promoviert haben beide in der Stadt am Bodensee. Auch im Medical Research Center der Universität von Dundee in Schottland verbrachten sie einige gemeinsame Jahre. Die Gründung von Berking Biotechnology brachte das Paar wieder nach Chile, genauer gesagt nach Valdivia.
Die Stadt liegt in der Nähe des Pazifiks, doch in dem Land, das sich über eine Länge von mehr als 4.000 Kilometern an der südamerikanischen Westküste erstreckt, sind die Anden nirgendwo weit. In dieser Region fühlen sich die, vor allem wegen ihrer Wolle gezüchteten, Alpakas am wohlsten. Die Tiere gehören zur Säugetierfamilie der Kamele, genau wie Dromedare. Und genau wie diese eignen sich Alpakas für die Erzeugung von Nanobodies. Die Einsatzmöglichkeiten dieser Antikörper weiter zu erforschen und kommerziell zu nutzen ist das Ziel von Berking Biotechnology.
Beispielsweise bei der Kenntlichmachung von SARS-CoV-2, besser bekannt als Coronavirus. Zu diesem Thema veröffentliche die Forschungsgruppe von Alejandro 2020 einen vielbeachteten Artikel. Oder zur Bekämpfung gefährlicher Viren wie Nipah, die über von Flughunden kontaminierte Früchte übertragen werden und eine zu 70 % tödliche Hirnhautentzündung verursachen können. Zum Glück treten solche Infektionen nur sehr selten auf, was allerdings die Produktion von Gegenmitteln für Pharmaunternehmen wenig attraktiv macht.
In Chile konnte sich Berking Biotechnology gut entwickeln und erhielt auch hinreichend Unterstützung. Irgendwann fiel jedoch die Entscheidung, dass für ein weiteres Wachstum die Expansion nach Europa nötig sein würde. Die Wahl fiel aus naheliegenden Gründen auf Deutschland und dort auf Hamburg. Zum einen, weil dies die ursprüngliche Heimat von Anne ist. Ihr Vater Bernhard war dort viele Jahre als Professor für Maritime Navigation tätig. Zum anderen, weil Hamburg als Wissenschaftsstandort zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Dafür steht nicht zuletzt die Science City Hamburg Bahrenfeld, ein gerade entstehender Stadtteil, der sich der Forschung und Wissenschaft widmet. Dort befindet sich auch der tecHHub Hamburg, in den Berking Biotechnology kürzlich eingezogen ist. Das Gebäude vereint Büro, Meetingräume und Labore, ideal für ein Startup, das so das Risiko vermeiden kann, solche Einrichtungen selbst komplett finanzieren zu müssen. Bei der Ansiedlung hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamburg Invest wertvolle Hilfe geleistet. Auch das chilenische Wirtschaftsbüro PROCHILE und die chilenische Botschaft in Berlin spielten bei der Expansion des Startups in Deutschland eine wichtige Rolle.
Nun stellt sich Hamburg einer neuen Herausforderung: der Science City. Ich bin sicher, dass der tecHHub und die künftigen Innovationsfabriken der Beginn einer Transformation sind, die Hamburg zu einem internationalen Referenzzentrum für wissenschaftliche und technologische Entwicklung machen wird. Und wir beide sind der Überzeugung, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, um einen Beitrag zu dieser Herausforderung zu leisten!“
Zwei neue Firmen mit großen Zielen
In Hamburg haben Anne und Alejandro weiter diversifiziert und gemeinsam zwei neue, unabhängige Unternehmen gegründet: Berking BioScience und Berking Theranostics. Die Aufgaben von Berking BioScience sind breit gefächert, unter anderem steht der Einsatz für eine gesündere Ernährung auf der Agenda. Konkret geht es um die Verbesserung der Bedingungen in der Lachszucht, bei der zum Teil massiv Antibiotika eingesetzt werden. Ein weiteres Problem sind sogenannte Lachsläuse, bei denen es sich nicht um Insekten handelt, sondern um kleine Krebse. Diese Parasiten ernähren sich von der Haut und dem Blut der Fische, was im Extremfall zu ihrem Tod führen kann. Der Einsatz von Nanobodies kann sowohl die Verwendung von Antibiotika reduzieren als auch den Lachsen helfen, einen Abwehrmechanismus gegen die Läuse aufzubauen.
Berking Theranostics ist das Ergebnis einer jahrlangen Zusammenarbeit mit dem Nuklearchemiker Dr. Vasko Kramer. Das Unternehmen spezialisiert sich auf die Entwicklung neuer Therapien gegen Krebs durch Kombination von Nanobodies mit Radionukliden, schwach radioaktiven Atomen. Dieses relativ neue Verfahren zum Aufspüren von Tumoren ist deshalb praktikabel, weil Tumorzellen eine ähnliche Struktur wie Proteine aufweisen und Antikörper entsprechend darauf reagieren können. Bei Berking Theranostics hat man die Hoffnung, auf dieser Basis in den nächsten zwei Jahre eine erste Krebstherapie entwickeln zu können. Onkologieerfahrene Investoren könnten den Prozess vorantreiben.
Das Alpaka steht im Mittelpunkt von Berking Biotechnology
Eine große Verantwortung lastet also auf den Rücken der Alpakas, die schließlich für die Bildung der Antikörper zuständig sind. Tierschützer haben bereits Bedenken geäußert, ob das für die Tiere schädlich sein könnte. Die inaktiven Fragmente von Krankheitserregern oder Tumoren, mit denen sie bei der Bildung der Nanobodies in Kontakt kommen, beeinträchtigen ihre Gesundheit aber nicht. Nach dem Immunisierungsprozess werden ihnen nur 100 Milliliter Blut abgenommen, die Millionen von Antikörpern enthalten. Anschließend haben die Alpakas ein Jahr Pause und können ihr Herdenleben in Chile genießen. Und wenn sie irgendwann in Rente gehen, wird eine Party gefeiert. Über das Leben und Wirken der Tiere gibt es sogar einen Instagram-Account mit 18.000 Followern. Außerdem hat Alejandro ein Kinderbuch über ihre Verdienste für die Medizin geschrieben, ein weiteres wird folgen.
Wie das Beispiel Ablynx zeigt, lassen sich mit Nanobodies Milliardengeschäfte machen. Berking Biotechnology strebt dabei nicht unbedingt den Exit an, lieber will das Unternehmen seine eigenen Medikamente verkaufen. Bis es so weit ist, bilden Aufträge von Pharmaunternehmen und Forschungseinrichtungen die Geschäftsgrundlage. Dabei bleibt das Startup den Standorten sowohl in Hamburg als auch in Valdivia verbunden. Der Ursprung in Chile zahlte sich im vergangenen Jahr aus, als Anne und Alejandro den chilenischen Präsidenten Gabriel Boric auf seiner Europareise begleiten durfte. Ob umgekehrt auch einmal die Alpakas Deutschland einen Besuch abstatten werden? Wohl kaum, wenngleich die Tiere auch hierzulande leben können. Wenn also Berking Biotechnology mit seinen Spin-Offs wie erhofft skaliert, könnte durchaus eine weitere kleine Herde in Hamburg eine Heimat finden.
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