Bei SURFACtoBioTech kommt die Biotech-Revolution tröpfchenweise
Der tecHHub in der Science City Hamburg entwickelt sich gerade zu einem neuen Hotspot für Deeptech-Startups. Ein Beispiel dafür ist SURFACtoBioTech, das biotechnologische Experimente mit seiner Lösung schneller, preiswerter und präziser macht.
Die Wissenschaft hat Jacqueline De Lora schon als Kind fasziniert, da war es nur folgerichtig, sie auch zum Beruf zu machen. Aufgewachsen ist sie in New Mexico. In Albuquerque, der größten Stadt des US-Bundestaates, studierte sie Biologie und Chemie und schloss als PhD ab, was dem deutschen Doktortitel entspricht. 2020 brachten sie ihre Forschungsaktivitäten ans Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg.

Einen ähnlichen Werdegang hat auch der Chemiker Martin Schröter aufzuweisen, mit dem Unterschied, dass er bereits sein Studium in Heidelberg absolviert hat. Seine Dissertation befasste sich mit synthetischen Zellen und dem Aufbau eines künstlichen Gewebes daraus. Eine wichtige Rolle bei dieser Synthese spielen Tenside. Das sind Substanzen, die bewirken, dass zwei normalerweise nicht mischbare Flüssigkeiten wie Wasser und Öl miteinander vermengt werden können. Das bekannteste Tensid ist Seife. Moderne Tenside kommen unter anderem bei der tröpfchenbasierten Mikrofluidik zum Einsatz, einem Wissenschaftsbereich, mit dem sich sowohl Jacqueline als auch Martin befassen und der sie am Max-Planck-Institut zusammenbrachte.
Die Mikrofluidik beschäftigt sich mit dem Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen auf kleinstem Raum. Zu den Anwendungsbereichen gehören die Erzeugung von Zellkulturen, die Medikamentenforschung oder auch Schnelltests. So erwies sich das Verfahren als besonders wirkungsvoll bei der Durchführung von PCR-Tests für den Nachweis von SARS-CoV-2 (Corona-Virus). Es führte zu schnelleren und auch genaueren Ergebnissen als alle anderen Vorgehensweisen.
Die tröpfchenbasierte Mikrofluidik hat sich somit zu einer ernsthaften Alternative zur Verwendung von Mikrotiterplatten entwickelt. Das sind Laborgeräte zur Untersuchung von biologischen Eigenschaften, die in Reihen und Spalten angeordnete Näpfchen enthalten. Eine typische Mikrotiterplatte hat beispielsweise 96 Näpfchen, die jeweils 200 Mikroliter Flüssigkeit aufnehmen können. In unserem Alltag ist das nicht viel; 200 Mikroliter entsprechen 0,2 Millilitern, bei einem einfachen Schnaps rechnet man mit 20 Millilitern.

In der Welt der Mikrofluidik sind 200 Mikroliter jedoch eine große Menge. Sie entsprechen 20.000 Tröpfchen, bei Anwendung dieser Methode für eine Analyse vervielfältigt sich also die Menge der Daten. Das führt zu schnelleren und genaueren Ergebnissen bei geringeren Kosten. Welche konkreten Konsequenzen das haben könnte, schildert Jacqueline an einem Beispiel aus ihrem persönlichen Umfeld. Eine Freundin war an einer seltenen Form von Brustkrebs erkrankt, die eine spezielle Behandlung erforderlich macht. Das machte eine Reihe zeitaufwendiger und teurer Untersuchungsmethoden erforderlich, etwa eine Kernspintomographie und eine Biopsie, also die Entnahme und Untersuchung einer Gewebeprobe. Tröpfchenbasierte Analysen könnten hier einen Durchbruch zu mehr Effizienz und besserer medizinischer Versorgung bewirken.
Dazu bedarf es stabiler Tröpfchen, wo dann wieder die Tenside ins Spiel kommen. Die haben nicht immer die erforderliche Qualität oder sind für zahlreiche Anwendungen noch gar nicht vorhanden. Hier tut sich also eine Marktlücke auf, die Martin und Jacqueline erkannt haben, was sie Anfang 2024 zur Gründung von SURFACtoBioTech veranlasste. Sitz des Startups war zunächst Heidelberg, inzwischen ist es aber in Hamburg heimisch geworden. Über den neuen Standort äußert sich Jacqueline geradezu euphorisch:

Das Gründungsduo ergänzt Theresa Schlosser. Sie ist für die geschäftlichen Aspekte von SURFACtoBioTech zuständig, allerdings vorübergehend nur eingeschränkt, denn sie befindet sich zurzeit im Mutterschutz und arbeitet an ihrem Masterabschluss. Das Team richtet sich gerade an seinem neuen Standort im tecHHub in der Science City Hamburg ein, wo es die Laborausstattung nutzen wird und deshalb nicht alles Benötigte auf eigene Kosten anschaffen muss. Auch eine Molekülbibliothek befindet sich im Aufbau. Auf seinem Weg zum Wachstum erhielt das Startup vielfältige Unterstützung. So leistete die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hamburg Invest Überzeugungsarbeit und auch praktische Hilfe bei der Ansiedelung in der Hansestadt.

Vielfältige Chancen im internationalen Wettbewerb
Finanziellen Rückenwind gab es durch eine Förderung der IFB Innovationsstarter GmbH und deren InnoRampUp-Programm. Auch eine erste Finanzierungsrunde konnte SURFACtoBioTech bereits abschließen, Business Angels investierten einen sechsstelligen Betrag. Sogar erste zahlende Kunden konnte das junge Unternehmen inzwischen gewinnen. Der potenzielle Kundenkreis ist weit gefasst. Zunächst gehören vor allem Forschungseinrichtungen aus dem eigenen Netzwerk dazu, die Tenside für ihre Projekte benötigen. Auch Startups aus dem Biotech-Kosmos sind im Fokus, und die Vermarktung von Zubehör für die Experimente ist ein weiteres Geschäftsmodell. Die großen Umsätze sind allerdings langfristig von der Pharmaindustrie für die Entwicklung neuer Medikamente zur erhoffen.
Dabei will sich SURFACtoBioTech im internationalen Wettbewerb behaupten. Die Startup-Plattform Tracxn führt weltweit 42 Unternehmen auf, die sich mit Tensiden beschäftigen. Führend sind hier die USA, Indien und China. In Europa sind UK und Frankreich am stärksten aufgestellt. Nicht alle dieser Startups haben sich auf Biotech spezialisiert, häufig geht ihr Angebot eher in Richtung Kosmetika und Reinigungsprodukte. Der Bereich, in dem SURFACtoBioTech agiert, bietet noch viel Platz für echte Innovationen und der Wissensvorsprung, den das Team mitbringt, berechtigt zu zusätzlichem Optimismus.