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Startup City Hamburg Startseite

Im Internetzeitalter ist die Aufmerksamkeitsspanne kontinuierlich gesunken. Mittlerweile entscheiden nicht mehr Sekunden, sondern Sekundenbruchteile über den Verkaufserfolg von Onlineshops. Das Hamburger Startup Speed Kit trägt dem Rechnung und verkürzt die Wartezeit auf Webseiten auf ein Minimum.

Die Geschichte von Speed Kit, das die ersten Jahre noch Baqend hieß, lässt sich bis auf das Jahr 2010 zurückverfolgen. Die Wurzeln liegen in einer Reihe von Bachelor- und Masterarbeiten aus dem Fachbereich Informatik der Universität Hamburg. Von Anfang an ging es um die Frage, wie sich die Ladezeiten von Webseiten verkürzen lassen. Die Herangehensweise wie auch die Zielgruppen änderten sich allerdings mit der Zeit. So bestand die Ursprungsidee darin, Cloud-Datenbanken zu beschleunigen und Software-Entwickler:innen dafür zu begeistern.

Schon Anfang 2014 war klar, dass Baqend mehr als ein reines Uniprojekt sein sollte, denn damals erfolgte die offizielle Gründung des Startups. Danach agierte das Team um die Informatiker Felix Gessert (CEO) und Florian Bücklers (CTO) noch für rund zwei Jahre weitestgehend im Verborgenen. Seinen ersten Auftritt vor einem größeren Publikum hatte Felix im Januar 2016 bei einem von Hamburg Startups veranstalteten Pitch. Gesucht wurden dabei Startups, die Teil einer Hamburger Delegation beim SXSW Festival in Austin, Texas werden sollten.

© Stefan Groenveld: das Siegerteam von Baqend beim Startups@Reeperbahn Pitch 2016

Pitchen ist eine Kunst, die man lernen kann

Die Präsentation ließ weite Teile des Publikums etwas ratlos zurück. Die meisten hatten sicherlich schon die Geschichte von der schwindenden Aufmerksamkeitsspanne bei Menschen gehört, die übrigens kürzer sein soll als beim Goldfisch. Wie sinnvoll dieser Vergleich ist, sei dahingestellt, auf jeden Fall ist er leicht verständlich. Der erste Baqend-Pitch verlor sich dagegen in zu vielen technischen Details, das Ticket nach Texas lösten andere. Die echten IT-Expert:innen waren sich aber schon damals sicher: Das wird groß!

Wie sehr die Art der Präsentation über Erfolg oder Misserfolg eines Startups entscheiden kann, wurde dann im September 2016 deutlich. Beim Startups@Reeperbahn Pitch ging es erneut um eine Reise zum SXSW Festival, und da der Wettbewerb im Musikclub Gruenspan im Rahmen des Reeperbahn Festivals stattfand, war das Publikum nicht nur größer als beim ersten Auftritt, sondern auch gemischter. Es galt daher, auf möglichst vielen Ebenen zu überzeugen. Also begann Gründer Felix mit einem dramaturgischen Trick und scheiterte scheinbar bei dem Versuch, schnell eine Webseite aufzurufen. Das sollte aber nur verdeutlichen, wie lästig eine solche Verzögerung sein kann.

Als Nächstes schilderte an einem praktischen Beispiel, wie hilfreich die Dienste von Baqend sein können. Startups, die in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ auftreten, hatten zu dem Zeitpunkt regelmäßig Probleme, weil ihre Webseiten dem kurzfristigen Ansturm nicht standhielten. Dank Baqend hatte der Anbieter eines innovativen Fitnesshandtuchs diese Schwierigkeiten nicht und konnte alle Kundenanfragen bedienen. Das leuchtete auch den Laien ein, und die Fragen aus der Fachjury konnte Felix souverän beantworten. Der Lohn: sowohl der Jury- als auch der Publikumspreis.

© Mathias Jäger/Hamburg Startups: das Team in ihrem ersten Büro an der Uni Hamburg

Aus Baqend wird Speed Kit

Im Anschluss an diesen Erfolg konnte Baqend die ersten Investoren für sich gewinnen. Zuvor hatte das Startup 2014 Unterstützung durch ein EXIST-Gründerstipendium bekommen und 2015 eine Förderung durch das InnoRampUp-Programm der IFB Innovationsstarter GmbH. Jetzt zeigten eine Reihe von Business Angels großes Interesse. Eingestiegen sind schließlich Jens Schuhmann (Gründer der Lotto-Webseite Tipp24) und Seriengründer Martin Dräger. Sie brachten Baqend nicht nur finanzielle Sicherheit, sondern auch unternehmerische Know-how.

2017 wurde für das Startup zu einem Jahr des Wachstums und des Übergangs. Knapp ein Jahr nach dem Sieg beim Startups@Reeperbahn Pitch war die Zahl der Teammitglieder von fünf auf 13 angewachsen. Das machte einen Umzug von der Uni Hamburg, wo das Unternehmen immer noch seinen Sitz hatte, in eigene Büroräume erforderlich. Viel entscheidender war jedoch die Neuausrichtung der Software. Nannte sich das Angebot bisher „Backend-as-a-Service“, was auch den Firmennamen erklärt, zielte die neue Softwarelösung direkt auf den Seitenaufbau, also das Frontend. Dafür entstand der neue Name Speed Kit, der inzwischen ausschließlich nach außen kommuniziert wird.

Technisch ist das alles nach wie vor komplex, doch das Grundprinzip lässt sich leicht erklären. Üblicherweise bestimmt beim Laden einer Webseite oder App das langsamste Element den kompletten Zeitaufwand. Dabei sind die meisten Elemente mehr oder weniger unveränderlich und lassen sich daher schneller aufbauen als die wenigen variablen Seitenanteile. Speed Kit sorgt nun dafür, dass diese schnellladenden Elemente das Tempo vorgeben. Die dadurch entstehende Zeitersparnis ist durchaus nicht trivial, wie eigene Erhebungen des Startups dokumentieren.

Demnach bringt jede eingesparte Zehntelsekunde 1-2 % mehr Conversion, also die Bereitschaft, online den nächsten Schritt zu gehen. In der Konsequenz kann das höheres Kaufinteresse, einen üppiger gefüllten Warenkorb oder die größere Wahrscheinlichkeit zu einem Onlineshop zurückzukehren, bedeuten. Eine andere Messgröße, die Speed Kit bei seiner Argumentation anführt, ist der Largest Contentful Paint (LCP), der Zeitpunkt, an dem der Hauptinhalt einer Webseite sichtbar wird. Der Sportartikelhändler Decathlon beispielsweise hat dank Speed Kit diesen LCP um 28 % beschleunigt. Das ist nicht nur für die Kundenzufriedenheit relevant, der Wert spielt auch eine wichtige Rolle beim Google-Ranking.

© Speed Kit: das Logo

Beim Unternehmenswachstum ist Tempo nicht alles

Alle genannten Punkte sind vor allem für den E-Commerce von Bedeutung, weshalb dieser Bereich 80 % der Kundschaft ausmacht. Aber auch BMW gehört zu den über 100 Großunternehmen, die sich von Speed Kit die Webseiten beschleunigen lassen. Das Neugeschäft konzentriert sich mittlerweile auf Anbieter, die es auf mindestens eine Million Seitenaufrufe pro Monat bringen. Die rund 10.000 kleineren Kunden, die den Grundstock für den Erfolg des Startups bildeten, erhalten selbstverständlich weiterhin Unterstützung.

Profitabilität und stetiges, aber behutsames Wachstum gehören zum Selbstverständnis von Speed Kit. Dabei kam das Startup ohne größere Finanzierungsrunden aus, lediglich der Kölner Wagniskapitalgeber STS Ventures ist mit einem Millionenbetrag eingestiegen. Das Motto „Alles zu seiner Zeit“ gilt auch für das Thema Internationalisierung. Deutschland bietet noch viel Potenzial, erste Schritte in Europa sind bereits gemacht und die USA bleiben vorerst Testmarkt.

© Speed Kit: Co-Founder und CEO Felix Gessert

Speed Kit will noch zulegen und gibt sein Wissen weiter

Dies soll aber nicht bedeuten, dass Speed Kit nicht noch eine Menge vorhat. Wenn es nämlich um die Ladezeit geht, kann es dem Startup gar nicht schnell genug gehen. In der Entwicklung schon ziemlich weit fortgeschritten ist ein Verfahren, das sich „Predictive Preloads“ nennt. Hierbei berechnet die Software, welches Nutzverhalten als nächster Schritt am wahrscheinlichsten ist und hält die entsprechenden Seitenelemente im Hintergrund schon bereit. Langfristig sollen für einen Seitenaufbau weniger als 100 Millisekunden benötigt werden, was der menschliche Verstand nicht mehr als Verzögerung wahrnimmt. Angedacht ist auch, eine Komplettlösung zur Webseitenoptimierung anzubieten, schließlich verfügt Speed Kit über einen riesigen Daten- und Erfahrungsschatz.

Mittlerweile beschäftigt das Startup um die 80 Personen und auch wenn Remote-Arbeit einen immer größeren Stellenwert bekommt, bleibt Hamburg der Mittelpunkt von Speed Kit. Nach fast zehn Jahren Erfahrung als Unternehmer haben die Gründer in diesem Jahr zum ersten Mal ein Meetup veranstaltet, um ihr Wissen weiterzugeben. Schließlich fehlte ihnen am Anfang noch eine Menge Know-how (nicht nur in Bezug auf den wirkungsvollsten Pitch), sodass sie sich in Nachwuchsentrepreneur:innen gut hineinversetzen können. Das Interesse ist auf jeden Fall da: Zur Premierenveranstaltung kamen über 100 Gäste. Vielleicht schreiben einige von ihnen bald die nächste Erfolgsgeschichte.

„Wir kommen aus der Informatik und haben für unser Startup von der Uni Hamburg immer viel Unterstützung bekommen. Das hat auch beim Recruiting sehr geholfen. Überhaupt hat uns der Standort Hamburg die Personalsuche erleichtert, hier gibt es viele Talente aus allen Bereichen.“
Felix Gessert, Co-Founder und CEO von Speed Kit

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