Dieser Appell ist schon seit einigen Jahren in der Startup-Welt zu hören, aber noch bleibt sie vorrangig eine Männerdomäne. Doch woran liegt das, was ist noch zu tun und was hat sich bereits getan?
Die Geschichte ist voller Vorbilder für Gründerinnen
Oft heißt es, jungen Frauen fehlen die weiblichen Vorbilder, die sie zum Gründen eines Startups animieren könnten. Dabei gibt es sie zuhauf, und ihre Geschichten gehen weit in die Vergangenheit zurück. Ada Lovelace aus dem 19. Jahrhundert gilt als erste Entwicklerin eines Computerprogramms. Melitta Bentz erfand Anfang des 20. Jahrhundert den Kaffeefilter, das daraus resultierende Unternehmen trägt bis heute ihren Namen. Hedy Lamarr schuf in den 1940er Jahren die Grundlage für die Technologie, die heutzutage unter dem Namen Bluetooth allgegenwärtig ist.
Was diese und viele ähnliche Storys gemeinsam haben: Ihre Heldinnen fanden zu Lebzeiten nicht die verdiente Anerkennung oder sie gerieten zumindest in der breiten Öffentlichkeit in Vergessenheit. So gesehen fehlen sie tatsächlich, die ganz großen Vorbilder, die jeder kennt. Die Musks, Zuckerbergs und Bezoz‘, auch wenn diese Männer durchaus umstritten sind. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass sich das bald ändern könnte.
Wie groß der Frauenanteil bei Startup-Gründer:innen ist, darüber gibt sehr unterschiedliche und zum Teil recht widersprüchliche Angaben. So soll die Corona-Pandemie in den USA zu einem Rekordwert von 49 % Frauen bei Gründungen insgesamt geführt haben, in Deutschland dagegen zu einem Rückgang. Zudem fällt oft die präzise Unterscheidung zwischen einem konventionellen Unternehmen und einem Startup schwer. Ein Startup zeichnet sich grundsätzlich durch eine innovative Geschäftsidee, idealerweise mit einem hohen Technologieanteil, und einem starken Wachstumspotenzial aus, und darf nicht älter als zehn Jahre sein. So definiert es der Deutsche Startup Monitor, hierzulande die meistzitierte Quelle zu diesem Thema. Die Ausgabe von 2022 ermittelte einen Frauenanteil in den Gründungsteams von 20 %, ein neuer Höchstwert. Hamburg kommt in dieser Studie auf 23 %.
Von einer Geschlechterparität kann hier also noch längst nicht die Rede sein. Unabhängig von der Vorbildfrage gibt es hierfür eine Reihe von Erklärungsansätzen. Es beginnt schon in der Kindheit, wenn Jungs mehr zugetraut wird und sie sich auch selbst mehr zutrauen als Mädchen. Risikobereitschaft gehört zur Startup-Kultur, ebenso das Scheitern; allgemein wird davon ausgegangen, dass bis zu 90 % der Startups die ersten drei Jahre nicht überleben. Bei Gründerinnen dürfte diese Ausfallquote niedriger liegen, da ihre Geschäftsmodelle oft besser durchdacht und die Umsetzungen besser geplant sind. Das legt zumindest eine Studie der Boston Consulting Group nahe, wonach jeder in ein Startup mit Gründerinnen investierte Dollar doppelt so viel Ertrag einbringt, wie bei rein männlichen Teams.
Das mag allerdings auch damit zusammenhängen, dass Frauen wesentlich größere Schwierigkeiten haben als Männer, größere Finanzierungsrunden abzuschließen. So flossen 2022 in Europa zwar 12,3 Milliarden Euro Risikokapital in von Frauen (mit)gegründete Startups. Das sind aber nur 13,8 % vom gesamten Kuchen. Reine Frauenteams erhielten sogar nur 0,9 %. Einer der wichtigsten Gründe hierfür: Auf Investorenseite ist die Männerdominanz noch größer als bei den Gründer:innen. Männer investieren eher in Geschlechtsgenossen, weil sie sich offenbar leichter mit ihnen identifizieren können. Ein weiterer Punkt, der in engem Zusammenhang mit der klassischen Rollenverteilung steht, ist die Tatsache, dass Startups mit hoher technologischer Innovationskraft höher dotierte Finanzierungen erzielen (Quelle: EY Startup-Barometer). Während der Anteil der Frauen bei den Studierenden inzwischen über 50 % liegt, sind es in den MINT-Fächern nur knapp über 30 %. Das spiegelt sich dann auch in den bevorzugten Geschäftsbereichen von Gründerinnen wider. Überproportional sind dort Food und andere Konsumgüter vertreten, ebenso Branchen mit sozialem Fokus wie Medizin und Bildung. (Quelle: Female Founders Monitor).
Die Finanzierungslücke bei Gründerinnen lässt sich am besten schließen, indem mehr Frauen zu Investorinnen werden. Weibliche VCs investieren doppelt so oft in Gründerinnenteams wie ihre männlichen Pendants. 2019 ging mit Auxxo das erste Beteiligungsunternehmen in Deutschland an den Start, das ausschließlich in Startups mit weiblicher Gründungsbeteiligung investiert. Zudem engagieren sich immer mehr erfolgreiche Gründerinnen als Business Angels, also als Investorinnen, die Startups in ihrer frühesten Phase unterstützen. Dazu gehören Verena Pausder, Lea-Sophie Cramer und Miriam Wohlfahrt, die somit in doppelter Hinsicht Vorbildcharakter haben.
Hamburgs Gründerinnen-Szene hat viel zu bieten
An weiblichen Vorbildern mangelt es mittlerweile auch in der Hamburger Startup-Szene nicht. Meistprämiertes Startup in Deutschland überhaupt war 2021 traceless materials, gegründet von Dr. Anne Lamp und Johanna Baare. 2022 setzte sich der Erfolg unter anderem mit dem Hamburger und dem Deutschen Gründerpreis fort. All die Preise gab es für eine Plastikalternative aus pflanzlichen Reststoffen. Eine der größten Finanzierungsrunden 2022 in Hamburg schloss Localyze ab. 35 Millionen US-Dollar erhielten die Gründerinnen Hanna Asmussen, Lisa Dahlke und Franziska Löw für ihre Plattform, die Arbeitgebern das Eingliedern von Fachkräften aus dem Ausland erleichtert. Bemerkenswert bei Localyze ist die starke internationale Ausrichtung, schon 2019 konnte das Team einen Platz im renommierten Accelerator Y-Combinator im Silicon Valley ergattern.
Hamburgs Gründerinnen decken also so ziemlich alle Bereiche ab. Und sie treten immer häufiger ins Licht der Öffentlichkeit. In den letzten eineinhalb Jahren hat sich der Pitchwettbewerb Female StartAperitivo zu einem Publikumsmagneten und vom Lokalereignis zu einer bundesweiten Veranstaltung entwickelt. Für das Hamburger Halbfinale am 14. Juni können sich Gründerinnen noch bis zum 31. Mai bewerben. Das große Finale findet dann am 6. Juli statt. Auch beim Gründer*innen Pitch, der am 9. Mai im Rahmen des OMR Festivals über die Bühne gehen wird, läuft noch die Bewerbungsphase, und zwar bis zum 13. März . Schließlich wird am 30. März noch die STARTERiN Hamburg 2023 in drei Kategorien gekürt.
Hamburgs Angebot an Netzwerken, Beratung und Förderprogrammen
Frauen wissen, wie wichtig Networking und gegenseitige Unterstützung fürs Business ist. Ein bundesweites Netzwerk ist encourgageventures, das Investorinnen und Gründerinnen zusammenbringt. In Hamburg treffen sie sich beispielsweise zum Erfahrungsaustausch bei einem Ladies Dinner und organisieren Meetups, bei denen sie ihre Interessen vertreten. Als Interessenvertretung für alle Gründungsinteressierten versteht sich die Startup-Unit der Hamburg Invest, und auch dort setzt Leiterin Veronika Reichboth verstärkt auf Gründerinnen. Ähnliches gilt für die IFB Innovationsstarter GmbH, deren Hamburg Investors Network Female StartAperitivo ins Leben gerufen hat, vor allem aber bekannt ist für ihre Förderprogramme. Bei InnoFounder, das sich an Startups in der Gründungsphase richtet, wurde kürzlich eine Richtlinie beschlossen, von der nicht nur, aber verstärkt Frauen profitieren können. Musste bisher mindestens eine Person aus dem Team zu 100 % für das Startup tätig sein, werden jetzt auch Teilzeitgründungen gefördert.