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Plastikmüll an der Küste Nigerias ©Pexels

Wir Deutschen hinterlassen im Jahr zwei Milliarden Plastiktüten, drei Milliarden Einwegbecher, 40 Milliarden Strohhalme und 16,4 Milliarden Einwegflaschen. 16% davon werden nicht hier recycelt, sondern exportiert, so die Deutsche Umwelthilfe. Rund 5.000 Kilometer entfernt an der Küste Ghanas rollen die Wellen des Südatlantiks auf Sand und Plastikmüll. In der Sonne Westafrikas leuchten sie in allen Farben des Regenbogens – Plastiktüten, Einwegbecher und Strohhalme. Aber was kann dagegen getan werden? Diese Frage hat sich auch Christian Sigmund gestellt und als Antwort zusammen mit sechs anderen das Unternehmen Wildplastic gegründet. Ziel des Unternehmens ist es, das in der Wildnis auf dem ganzen Planeten verteilte Plastik zurück in einen Nutzungskreislauf zu bringen.


„Wir haben in den letzten Jahrzehnten über fünf Milliarden Tonnen Plastikmüll nicht recycelt oder verbrannt, sondern unkontrolliert in die Umwelt gelangen lassen. Gleichzeitig steigt die Plastikproduktion und der Bedarf Jahr für Jahr. Jetzt müssen wir diesen Müll als Rohstoff betrachten und sinnvoll einsetzen.“
Christian Sigmund, Co-Founder Wildplastic

Während manche Arten Kunststoff leicht recycelbar sind, ist das bei anderen deutlich schwieriger. Besonders Folienplastik, in der Fachsprache LDPE genannt, wird kaum bis gar nicht wiederaufbereitet. Gerade einmal 5% der produzierten Tüten und Sixpack-Träger wurden 2017 recycelt. Deshalb entschied sich Wildplastic 2018 damit anzufangen. Nachdem die Idee da war, wurde 2019 das Unternehmen gegründet und 2020 ging es richtig los.

Recycelter Müllbeutel ©Wildplastic

Am Anfang stand ein Proof of Concept. Dafür kaufte Wildplastic Plastikmüll aus Haiti. Auf dem kleinen Inselstaat in der Karibik wird Wasser zu großen Teilen aus Einwegtrinkbeuteln getrunken. Diese sind, sobald sie leer sind, Müll und vor Ort gibt es keine Struktur, diesen zu recyceln. Indem dieser Plastikmüll nach Europa gebracht wurde, konnten die Trinkbeutel im ersten Schritt wieder zu Plastikgranulat verarbeitet werden. Im Anschluss daran stellte Wildplastic daraus eine Mülltüte her. „Die sah zwar noch sehr wild aus, – milchig und noch unperfekt, aber sie war reißfest und hatte eine exzellente Materialqualität. Das war für uns der Beweis, dass es geht und wir die nächste Stufe zünden können.“, erzählt Christian.

Die nächste Stufe war dann der Ausbau dieser Idee. Das Wildplastic Team suchte nach Partnern im globalen Süden, um Plastik zu sammeln sowie europäischen Unternehmen, um es zu recyceln und Möglichkeiten, es hier wieder in den Kreislauf zu bringen. Mittlerweile haben sie all das gefunden und einen neuen Kreislauf begonnen. In Regionen wie Westafrika und Südostasien sammeln Organisationen das wilde Folienplastik ein und füllen Container damit. Das Material wird dann im Auftrag von Wildplastic über das Meer nach Portugal verschifft und dort werden knapp 90% des Containerinhalts wieder zu Granulat verarbeitet. Von der iberischen Halbinsel geht es für das Plastik über Land weiter zu Produzenten in Zentraleuropa, um zu Müllbeuteln oder Transporttaschen zu werden. Diese landen dann wieder bei den Verbrauchern.

„So findet das wilde Plastik aus der Umwelt dann seinen Weg über verschiedene Stationen hinweg in Produkte, die im Kreis zirkulieren.“
Christian Sigmund, Co-Founder Wildplastic
Wildpastic Team ©Wildpastic

Plastik um die halbe Welt schiffen, macht das Sinn?

Diese Frage hat sich am Anfang auch das Team von Wildplastic gestellt. Ihre Antwort ist eine wissenschaftliche. „Wir haben eine Ökobilanz aufgestellt mit einer Lebenszyklusanalyse und das Produkt mit den derzeit existierenden, teilweise aus Neuplastik bestehenden, verglichen.“, erzählt Christian. „Das Ergebnis war dann, dass eine Mülltüte aus Wildplastic bis zu 70% CO2 einspart, trotz der ganzen Wege im Vergleich zu Neuplastik.“ 

In Zukunft will Wildplastic in noch mehr Ländern Partner suchen und Müll sammeln. Bei der Länderauswahl stützt sich das Startup auf die Informationen des UN-Environment-Programm, in welchen Regionen der Welt besonders viel Müll nicht oder falsch gemanagt wird. Deshalb liegt der Fokus aktuell auf Ghana, Nigeria, Indien, Indonesien und Kambodscha. Bereiche in denen, so Christian, bis zu 80% des Mülls nicht vernünftig verwertet sind. In Zukunft soll das Einzugsgebiet von Wildplastic noch wachsen, denn der Markt dafür ist da. „Der Bedarf an Plastik steigt Jahr für Jahr, leider.“, erklärt Christian. „In den letzten 12 Monaten, hat sich der Plastikpreis pro Kilo teilweise verdoppelt. Das heißt für uns: Wenn wir es schaffen, Plastik effektiv aus der Umwelt zu retten, gibt es dafür einen Markt.“

Bisher hat das Startup, nach eigenen Angaben, seit seiner Gründung 147.471 kg wildes Plastik zurück in den Kreislauf gebracht. Das nächste Ziel für 2023 ist es, 1.000 Tonnen in einem Jahr zu recyceln. Damit soll unter anderem auch der größte Partner des Unternehmens, der Versandhandel Otto, versorgt werden. Aus dem recycelten Plastik werden neben den Müllbeuteln aktuell knapp 50% der Versandtaschen für Otto hergestellt, in Zukunft sollen es 100% werden.


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