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©traceless/Marc Schultz-Coulon

Während ihrer Promotionsarbeit an der TU Hamburg machte Anne Lamp eine spannende Entdeckung: Im Labor stieß sie auf ein Verfahren, mit dem sich aus pflanzlichen Reststoffen der Agrarindustrie ein Material gewinnen lässt, das als natürliche Plastikalternative funktioniert.

Schon während ihres Studiums gründete die Verfahrenstechnikerin eine Cradle to Cradle-Gruppe in Hamburg mit. Mit ihrer Entdeckung konnte sie beide Konzepte verbinden: Die Biozirkularität aus Cradle to Cradle und die Nutzung biobasierter Reststoffe. So wurde ein neuartiges Material geboren: traceless.
Es hat ähnliche Eigenschaften wie Plastik, besteht aber aus rein natürlichen Substanzen, und ist vollständig abbaubar. Zur Herstellung werden pflanzliche Reststoffe aus der Lebensmittelproduktion verwendet, die bei der Verarbeitung von Nutzpflanzen anfallen.

© traceless

Von der wissenschaftlichen Innovation zur preisgekrönten Marke

Im Rahmen des Impact-Inkubatorprogramms „Project Together“ lernte Anne dann ihre Mitgründerin Johanna Baare kennen. Die Wirtschaftswissenschaftlerin sorgte mit ihrer Business-Expertise dafür, dass aus der technischen Entdeckung ein marktfähiges Geschäftskonzept wurde. Seit der Gründung von traceless im Jahr 2020 räumen die beiden mit ihrem Team einen Startup-Preis nach dem anderen ab. So wurde traceless 2021 zum Gewinner der TOP50 Startups 2021 gekürt und Co-Gründerin Johanna Baare kürzlich mit dem German Startup Award als Newcomerin des Jahres 2022 ausgezeichnet.

Wir haben Anne, CEO & Co-Founder von traceless, zum Interview getroffen und erfahren, was sie bei ihrer Gründung wirklich weitergebracht hat und warum eine umweltfreundliche Idee alleine noch nicht ausreicht.

Liebe Anne, toll, dass du dir Zeit für uns nimmst. Magst du uns erzählen, was das Revolutionäre an traceless ist und wie es eingesetzt werden kann?

Anne: Wir bei traceless haben ein Material entwickelt, das ähnliche Eigenschaften wie Plastik hat, aber aus rein natürlichen Substanzen besteht. Gelangt traceless in die Umwelt, ist es wie Naturmaterialien problemlos biologisch abbaubar und hilft damit die globale Plastikverschmutzung zu lösen. Da wir erneuerbare Ressourcen in einem effizienten Prozess nutzen, ist unser Material weitaus klimafreundlicher als Plastik. Zudem setzen wir auf die hohe Skalierbarkeit unserer Technologie.
Unser Basismaterial kann dann von der Kunststoffindustrie zu Folien, Beschichtungen, soliden Materialien oder Klebstoffen weiterverarbeitet werden und Plastik so in vielen verschiedenen Produkten ersetzen. Gerade für Produkte, die eine kurze Nutzungsdauer haben oder bei denen Recycling schwierig ist, ist traceless eine wirklich nachhaltige Alternative. Dies können Einwegverpackungen im Food- oder Non-Food Bereich sein, Einwegartikel, Produkte mit hohem Abrieb, sowie „versteckte Kunststoffe“ in Klebstoffen und Beschichtungen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind ziemlich vielfältig.

© traceless

Von der Entwicklung des Materials bis zur Gründung eures Startups im Jahr 2020 – was waren eure wichtigsten Schritte und Learnings?

Anne: Die Anfangszeit war geprägt von viel persönlichem Engagement, anfangs haben wir mit einem kleinen Team komplett ehrenamtlich gearbeitet. Im Frühjahr 2021 konnten wir dann unsere Seed-Investmentrunde abschließen und damit den Bau unserer Pilotanlage angehen.
Ein weiterer Meilenstein war im Herbst 2021 die Zusage für eine 2,42 Millionen Euro Förderung des European Innovation Council (EIC), das war ein riesengroßer Erfolg und eine echte Anerkennung für uns. Dieses Jahr bringen wir gemeinsam mit unseren Pilotkunden erste Produkte aus traceless in Testläufen auf den Markt, das wird ein weiterer spannender Moment!

„Unsere Vision ist eine Welt, in der Materialien einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben. Unser Vorbild ist das älteste zirkuläre „Wirtschaftssystem“ der Welt: Die Natur!“
Anne Lamp, CEO von traceless
© traceless

Welchen Tipp hast du für Gründer:innen in Hamburg? Und welche Angebote aus dem Startup-Ökosystem haben euch unterstützt?

Anne: Traut euch und sucht euch Mitstreiter:innen! Klar, der Weg ist nicht immer einfach, aber wenn ihr eine tolle Idee habt und andere davon überzeugen könnt, lohnt es sich. Wir haben außerdem gute Erfahrungen damit gemacht, im Team zu gründen, um so verschiedene Perspektiven zu bekommen. Essenziell ist natürlich auch das Netzwerk: Gerade im Technologiebereich ist eine Gründung ein großer Schritt, der mit viel Arbeit, Risiko und Ressourcen verbunden ist.

Wir hatten von Beginn an breite und tatkräftige Unterstützung im lokalen Hamburger Startup-Ökosystem – von Institutionen wie dem Startup Dock und beyourpilot, von Förderprogrammen wie der Calls for Transfer und dem IFB InnoRampUp, aber auch von der TU Hamburg, wo unsere Forschungswurzeln liegen. Wichtiger Teil des Hamburger Netzwerks waren für uns natürlich auch die Kontakte zu engagierten lokale Erstkunden wie OTTO, und zu Investmentpartnern wie Planet A. Dass traceless 2021 zum ersten der TOP50 Startups 2021 geranked wurde, zeigt, was mit vereinten Kräften möglich ist!

© traceless

Ein wichtiges Thema bei einer Unternehmensgründung ist das Thema Finanzierung und Förderung. Wie seid ihr dieses Thema angegangen?

Anne: Eine hardwarebasierte und innovative Technologie wie traceless auf den Markt zu bringen, bedeutet hohe Investitionen - wir müssen schließlich Produktionsanlagen errichten! Daher mussten wir auch beim Thema Finanzierung von Beginn an groß denken. Anfang 2021 haben wir unsere Seed-Finanzierung in Höhe von etwas mehr als 1 Mio. Euro gedreht. Ende letzten Jahres haben wir dann eine Zusage von der EU über eine EIC Accelerator-Förderung von noch einmal 2,42 Mio. Euro erhalten, womit wir nun unseren nächstgrößeren Skalierungsschritt angehen können. 

„Es reicht nicht, eine umweltfreundliche Idee zu haben. Damit sie einen realen Beitrag zur Lösung unserer Umweltprobleme leistet, muss sie aus dem Labor in die Welt!“
Das traceless-Team ©traceless

Wie würdet ihr das Team hinter traceless beschreiben? Was macht euch aus?

Anne: Mit drei Worten: motiviert, ambitioniert und interdisziplinär! Unser Team besteht aus Überzeugungstäter:innen, wir wollen wirklich etwas bewegen und einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft leisten. Wir sind aktuell 22 engagierte Mitarbeiter:innen aus den Bereichen Verfahrenstechnik, Umweltwissenschaften, Chemie, Wirtschaft und Finanzen, Design und Marketing. Was uns vereint, ist unser Pioniergeist: Die Arbeit mit natürlichen Polymeren – quasi den „Kunststoffen der Natur“ – ist noch kaum verbreitet und unser Team leistet in vieler Hinsicht Pionierarbeit. Dieses Spannungsfeld aus riesengroßer Nachfrage am Markt und großer Herausforderung treibt uns an, und macht die Arbeit an traceless jeden Tag spannend.

traceless founders Johanna Baare und Anne Lamp ©traceless

Nachhaltigkeit bedeutet für uns ...

... das Potential innovativer technologischer Lösungen zu nutzen und dabei ganzheitlich zu denken. Eine Lösung ist nur dann nachhaltig, wenn sie in allen Aspekten einen positiven Einfluss hat. Schlussendlich bedeutet Ganzheitlichkeit auch, uns als Teil eines Systems zu begreifen – für ökologische Lösungen braucht es nicht nur grüne Startups wie uns, sondern auch engagierte Partner:innen aus der verarbeitenden Industrie, umweltbewusste Verbraucher:innen, sowie Anstöße aus Wissenschaft und Politik. Nur gemeinsam können wir die komplexen Herausforderungen unserer Zeit lösen.

Welche Vision verfolgt ihr und was habt ihr in Zukunft mit traceless vor?

Anne: Unsere Vision ist eine Welt, in der Materialien einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben und Verschmutzung und Abfall der Vergangenheit angehören. Diese Vision knüpft an den Gedanken von Cradle To Cradle: Statt unseren negativen Fußabdruck nur zu verkleinern, möchten wir einen positiven Fußabdruck hinterlassen. Unser Vorbild ist das älteste zirkuläre “Wirtschaftssystem” der Welt: Die Natur!

Genau wie alle natürlichen Materialien kann sich traceless in den biologischen Kreislauf integrieren, und hinterlässt dort keine schädlichen Spuren. Mit traceless wollen wir einen Beitrag zu unserer Vision leisten und langfristig Plastik überall dort ersetzen, wo es in der Umwelt landen kann und es wichtig ist, dass sich das Material abbaut. Um dahin zu kommen, müssen wir unsere Technologie schnellstmöglich skalieren und unsere Produktionskapazitäten ausbauen - daran arbeiten wir täglich!

Ganz herzlichen Dank für das Interview mit Startup City Hamburg, liebe Anne. Wir wünschen euch weiter so viel Erfolg und noch ganz viel positiven Impact.


Autor

Startup City Hamburg

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