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Handwerkliche Betriebe haben meist eine lange Tradition und bei guter Unternehmensführung eine sichere Zukunft. Um die zu gewährleisten, müssen sie ihre Prozesse wo immer möglich digitalisieren. Dabei hilft ihnen die Software des Hamburger Startups plancraft, das bereits Investments im zweistelligen Millionenbereich einsammeln konnte.

© plancraft: die Gründer Alexander Noll (CPO), Julian Wiedenhaus (CEO) und Richard Keil (CTO).

Es begann an der TU Hamburg

Begonnen hat Julian Wiedenhaus seine akademische Ausbildung mit einem Dualen Studium der Produktionstechnik an der Hochschule Bremen und bei Airbus. Beendet hat er sie an der TU Hamburg mit einem Master im Internationalen Wirtschaftsingenieurwesen. Die TU Hamburg hat er bewusst gewählt, denn sie bietet in ihren Studiengängen die Möglichkeit das Thema Entrepreneurship zu behandeln. Ideal für Julian, der schon früh den Wunsch hatte zu gründen.

Einen Bruder im Geiste fand er in Alexander Noll, dessen Vater eine Zimmerei betreibt. Übernehmen wollte er den Betrieb nicht, aber durch die jahrelange Mitarbeit im Büro wusste er, dass zu viel Zeit für die Auftragsbearbeitung verloren ging. Eine geeignete und allgemein verständliche Software zur Erleichterung der Arbeit gab es bis dahin nicht. In einem Uni-Projekt machten Julian und Alexander ihre ersten Versuche als Startup-Unternehmer. Die Idee: den Bauprozess für Häuslebauer jederzeit transparent zu machen.

© Mathias Jäger / Hamburg Startups: plancraft-Gründer Richard Keil beim Gründergeist 2019

plancraft überzeugte von Anfang an bei Startup-Wettbewerben

Die Umsetzung erwies sich als zu kompliziert, aber im Laufe der Recherchen wurde immer deutlicher, wie groß der Bedarf für eine Softwarelösung im Handwerk war. Also setzen sie ihre Interviews fort, über einen Zeitraum von insgesamt eineinhalb Jahren. Auch wenn sich Alexander Programmierkenntnisse angeeignet hatte, erschien es sinnvoll, noch einen ausgewiesenen IT-Experten ins Team zu holen. Der fand sich in Richard Keil. Richard war Alexanders Mentor in seiner Zeit als Werkstudent bei der eventure GmbH, die als Digitalberatung und Venture Builder agiert und zur Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY gehört.

Die offizielle Gründung ihres Startups plancraft als GmbH ist auf den Februar 2020 datiert, aber tatsächlich machte das Unternehmen schon ein Jahr zuvor erstmals auf sich aufmerksam. Beim Gründergeist, dem Startup-Wettbewerb der Wirtschaftsjunioren Hamburg, holte Richard 2019 für plancraft den dritten Platz. Es sollte nicht der letzte Erfolg dieser Art für das Startup werden. So folgten 2020 der Sieg in der Kategorie IDEE bei den Hamburg Innovation Awards und im Jahr 2021 Platz 1 beim Gunnar-Uldall-Wirtschaftspreis.

Überzeugen konnten sie mit einem Softwareangebot, das keine Komplettlösung anbieten will, sondern sich auf einen bestimmten Aufgabenbereich konzentriert. „Der Aufbau von einem ‚SAP für das Handwerk‘ hätte 15 Jahre gedauert“, erklärt Julian Wiedenhaus. Im Mittelpunkt stehen daher die Angebotserstellung und Projektabwicklung bis hin zur Schlussrechnung. Das ist immer noch ein weites Feld, sodass bis heute regelmäßig Erweiterungen und Optimierung der Software erfolgen.

© plancraft

Im Einzelnen hilft die cloudbasierte Webapp bei folgenden Arbeitsschritten:

  • Kunden und Projekte anlegen

  • Angebote kalkulieren

  • Rechnungen erstellen und an den Steuerberater übermitteln

  • Zeiterfassung der Mitarbeitenden und Personalplanung

  • Kommunikation zwischen Baustelle und Büro

  • Dokumentation in digitalen Projektmappen

Besonderen Wert legt plancraft auf einfache Bedienbarkeit. Handwerksbetriebe stehen naturgemäß nicht an der Speerspitze der Digitalisierung, der Einsatz von Excel und Word für die Projektplanung sind eher die Regel als die Ausnahme. Außerdem muss die Software auf Baustellen einsetzbar sein, unnötige Komplexität ist dort hinderlich. Dabei ist plancraft keine Insellösung, über Schnittstellen lässt sie sich in bestehende Systeme integrieren.

© plancraft: die Gründer Alexander Noll, Julian Wiedenhaus und Richard Keil

plancraft ist attraktiv für Investoren

Mit seinem klaren Konzept konnte das Startup schon früh Investoren auf sich aufmerksam machen. Naheliegend war zunächst eine Förderung durch das EXIST-Gründungsstipendium, das für Gründungen mit Hochschulbezug vorgesehen ist. Das erhielt plancraft 2020, ein Jahr später folgte ein erstes Business Angel-Investment. Für Schlagzeilen in der Startup-Szene sorgte dann eine Nachricht aus dem September 2022. Demnach hatten sich der der High-Tech Gründerfonds, BitStone Capital, XDECK Ventures und Realyze Ventures zu einer Seed-Runde in Höhe von 1,9 Millionen Euro zusammengeschlossen. Ergänzt wurde sie durch 200.000 Euro aus dem InnoFinTech-Programm der IFB Innovationsstarter GmbH

Ein echter Paukenschlag war dann die Nachricht aus dem Juni 2024: Die gerade abgeschlossene Serie-A-Finanzierungsrunde hatte 12 Millionen Euro eingebracht. Angeführt wurde sie von Creandum, einer Venture Capital-Firma mit Büros in Stockholm, Berlin, London und San Francisco. Zum Portfolio gehören unter anderem Klarna und Spotify – keine schlechte Gesellschaft für plancraft. Julian Wiedenhaus erklärt den Erfolg in Zeiten, wo andere Startups sich mit Finanzierungen schwertun, mit einem soliden, auf langfristigen Erfolg zielenenden Geschäftsmodell. Die bisherigen Zahlen stimmen und das Handwerk bleibt auch in einer von künstlicher Intelligenz und Robotik geprägten Welt unverzichtbar.

© plancraft: Vorlage für das Projekt "Fassade streichen"

Gute Aussichten für die Zukunft

Tatsächlich ist das Potenzial noch riesig. Bisher zählt plancraft nach eigenen Angaben rund 10.000 Kunden, allein Deutschland gibt es aber um die 500.000 Handwerksbetriebe, die als Zielgruppe in Frage kämen. Der Fokus liegt dabei auf kleineren Unternehmen, die auch den Löwenanteil ausmachen. 95 % der Betriebe haben weniger als 20 Mitarbeitende. Auf sie ist das Preismodell zugeschnitten. Der günstigste Tarif für die Software-as-a-Service-Lösung liegt bei 29,90 Euro monatlich, den können sich auch nebenberufliche Handwerker:innen leisten. Einen weiteren Vorteil bietet die Möglichkeit monatlich zu kündigen, was das finanzielle Risiko minimiert.

Eine Herausforderung bei einem so fragmentierten und unübersichtlichen Markt ist es, potenzielle Kunden in einer größeren Zahl zu erreichen. Handwerkskammern fallen als Multiplikatoren aus, sie sind zur Neutralität verpflichtet. Über die sozialen Medien lässt sich Bekanntheit aufbauen, aber vielversprechender sind Kooperationen wie die mit STIHL aus dem Jahr 2023. STIHL ist ein Produzent von motorbetriebenen Geräten für die Forstwirtschaft, Garten- und Landschaftspflege und die Bauwirtschaft. Durch die Partnerschaft erreicht plancraft Unternehmen aus diesen Branchen, während zuvor vor allem Malerbetriebe und Zimmereien für Umsatz sorgten.

© plancraft: das Team

Von Hamburg aus den europäischen Markt erobern

plancraft ist nicht der einzige Anbieter von Handwerkersoftware, doch setzen die Mitbewerber oft andere Schwerpunkte, und der Kuchen ist groß genug, um viele satt zu machen. Der Generationswechsel an der Spitze zahlreicher Betriebe und der wachsende Fachkräftemangel verstärken zudem die Bereitschaft zur Digitalisierung. Und das nicht nur in Deutschland; mittelfristig möchte plancraft seinen Service in zahlreichen europäischen Ländern anbieten, die Herausforderungen sind vielerorts denen hierzulande sehr ähnlich.

Um diese Aufgaben bewältigen zu können, soll nicht nur das Produkt weiter optimiert, sondern auch das Team ausgebaut werden. Gut 40 Mitarbeiter:innen umfasst es momentan, eine Verdoppelung liegt im Bereich des Möglichen. Hauptstandort von plancraft ist und bleibt Hamburg, nicht zuletzt wegen der hohen Lebensqualität der Stadt, die sie für Talente attraktiv macht. Und auch sonst hat plancraft Hamburg viel zu verdanken, wie Julian Wiedenhaus resümiert:

„Hamburg ist einfach lebenswert, das weiß die ganze Republik. Deshalb und Dank der Branchen- und Hochschulvielfalt gibt es hier viele motivierte Berufseinsteiger, was für uns sehr wichtig ist. Uns hat Hamburg mit Know-how und Förderung gut unterstützt, beispielsweise durch das InnoFinTech Programm (IFB) oder Startup Port Hamburg. Für uns ist Hamburg in vielen Aspekten auf Augenhöhe mit Berlin oder München!“

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