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© Beyond Emotion: das Gründungsteam Dr. Arne Bernin, Sobin Ghose und Hanne Butting
Stories
10. Oktober 2022

Beyond Emotion unterstützt die Pflege mit KI

©Beyond Emotion

Arbeiten und sich gleichzeitig um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Dieses Szenario wird für immer mehr Menschen angesichts des wachsenden Pflegenotstands und kontinuierlich teurer werdenden Heimplätzen Realität. Damit verbunden ist allerdings die dauerhafte Sorge darum, wie es der Person, welche man pflegt, geht. Gerade wenn Erkrankungen wie Demenz, Arthrose oder Osteoporose dazukommen, sind viele Pflegende in einer dauerhaften Stresssituation, wenn sie nicht wissen, wie es ihren Angehörigen geht. 

Diesem Problem will das Team von Beyond Emotion angehen. Das Startup hat eine Software entwickelt, die Gesichtsausdrücke erkennt und auswertet. Damit sollen dann Angehörige die Möglichkeit haben, benachrichtigt zu werden, wenn die Pflegebedürftigen Probleme haben, ängstlich oder verwirrt sind, um gezielt zu helfen.

Angefangen hat das Ganze im Jahr 2010 mit mehreren anderen Projekten. Zuerst arbeitete Dr. Arne Bernin mit seiner Kollegin Larissa an Kunstprojekten, bei denen Objekte mittels der Gesichtsausdrücke ihrer Betrachter gesteuert wurden. Dann kamen ein paar kleinere Projekte und schließlich der Vorläufer der Beyond Emotion AI. Das EmotionBike. Dieses war ein Forschungsprojekt an der HAW Hamburg, an dem die späteren Gründer Arne und Sobin Ghose arbeiteten. Die Idee des Projekts war es, Emotionen zu provozieren, sie mit einer Kamera aufzuzeichnen und aus den Ergebnissen ein Modell für verschiedene Emotionen mit passender Mimik zu entwickeln. Dafür mussten Probant:innen mit einem Hometrainer eine simulierte Strecke entlang fahren und sollten auf das reagieren, was sie auf einem Bildschirm sahen.

Aus den Ergebnissen des EmotionBike und der Dissertation von Arne wurde dann in den folgenden Jahren die Beyond Emotion AI. Diese kann über Kameras Gesichter erkennen, dass Gesehene in ein Modell übertragen und daraus die Emotionen ableiten. 

Derzeit werden verschiedene Gefühlszustände erkannt. Das entspricht keinem bestimmten psychologischen Modell. Diese teilen in den meisten Fällen in deutlich weniger oder deutlich mehr Emotionen ein. Statt sich aber an diesen zu orientieren, hat das Team von Beyond Emotion sich die Ergebnisse der eigenen Forschung mit dem EmotionBike angesehen und daraus die erkennbaren Gemütszustände abgeleitet. 

Für was genau die AI eingesetzt werde sollte, war anfangs noch unklar. Der erste Plan ergab sich aus der Anfrage eines Veranstalters. Wenn die Aufnahme von einem Menschen automatisch auf Emotionen hin analysiert werden kann, wäre es dann möglich, auch die Stimmung bei einem Konzert live zu verfolgen? „Mit der nötigen Rechenleistung und genug Kameras kein Problem“, meint Arne. Aber bevor mehr in diese Richtung passieren konnte, kam das Jahr 2020 und damit die Pandemie. Konzerte vielen aus und das Projekt ins Wasser.

©Unsplash

Dann ging die Suche nach einer anderen Anwendung für die AI weiter. Die Herausforderung war, eine moralische Anwendung zu finden, welche eine positive Wirkung hat. Eine Nutzung ihrer Emotionserkennungs-AI wie man sie aus China kennt, schließt das Gründertrio aus. „Wir haben schon in unserer Gründungsordnung geschrieben, dass ethische Verwendung wichtig ist und auch schon Angebote deshalb abgelehnt.“, erklärt Arne. Zwar möchte das Trio mit ihrem Startup selbstverständlich Geld verdienen, dabei aber auch etwas Gutes tun. 

Der Vorschlag, mit der Gesichtserkennung den Pflegealltag zu erleichtern, kam dann ganz von allein zu dem Team. Mit einer trainierten AI im Gepäck und dem festen Willen, diese auch zu nutzen, besuchte das Beyond Emotionsteam Networking Events und erzählte davon. So kamen dann irgendwann Pflegeberater auf das Team zu und erzählten, sie könnten sich gut vorstellen, dass es bei der Pflege eine große Entlastung wäre, zu wissen, welche Emotion die zu pflegende Person gerade habe.

Mit diesem Anstoß nahm Beyond Emotion dann Kontakt zu Angehörigen von Demenzkranken auf, welche diese betreuten und interviewten sie. Das Ergebnis: Die Pflegenden machten sich die ganze Zeit Gedanken um ihre Angehörigen.

"Ist der Vater/ die Mutter schon wach? Muss ich vor oder nach der Arbeit noch mal hingehen? Solche Fragen beschäftigen Betroffene die ganze Zeit. Das führt dann manchmal so weit, dass die Leute ihre Jobs kündigen, weil sie sich mehr auf das Pflegen konzentrieren müssen. Sie wissen einfach nicht, wann sie gebraucht werden, wann die Person, welche sie pflegen vielleicht gestürzt, verängstig oder verwirrt ist. Also wollen sie die ganze Zeit in der Nähe sein."
Hanne Butting, Co-Founderin

Das hat das Team auf die Idee gebracht, ein Stimmungsbenachrichtigungssystem zu bauen, was informiert, wenn etwas passiert. Damit die Pflegenden wissen, was los ist und dann entscheiden können, ob sie anrufen oder vorbei gehen sollten. „Wir sind da ganz gemäß dem Motto der HAW: angewandte Wissenschaft. Die Forschung anwenden, um den Menschen zu helfen.“, erzählt Arne.

Mit dem Wissen um diese Problematik hat sich das Team dann auf das EXIST Gründerstipendium beworben und dieses auch im September desselben Jahres erhalten. Damit ging es dann richtig los. Seitdem hat Beyond Emotion ihre Idee zur Marktreife gebracht und ist jetzt bereit für den Rollout.

Im Einsatz ist die Emotionserkennungs-AI ganz dezent. Die Software läuft auf einem Tablet, das in einem Rahmen an der Wand hängt. Wie ein digitaler Bilderrahmen. Auf diesem werden Bilder und Videos gezeigt, welche die Familie von überall auf der Welt zuschicken kann. Hinter den neuesten Urlaubsbildern der Enkel:innen läuft unauffällig die eigentliche Aufgabe des Geräts. 

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So erfüllt das Tablet direkt eine doppelte Funktion. Zum einen die Beobachtung und zum anderen eine digitale Anbindung älterer Familienmitglieder. Der Opa, der vielleicht nicht mehr die Lust hat, dem Umgang mit einem Smartphone zu lernen, bekommt so trotzdem immer mit, was die Familie macht. Auf Wunsch können über das Gerät auch Videoanrufe geführt werden. 

Über die Kamera sucht die Software Gesichter, erkennt diese und interpretiert die Gesichtsausdrücke. Wenn negative Emotionen wie Angst, Verwirrung oder Langeweile erkannt werden, bekommen die Pfleger:innen eine Benachrichtigung per App. Dann können sie anrufen oder vorbeigehen und nach ihren Angehörigen sehen.

Angst um die eigenen Daten muss man dabei allerdings nicht haben. Beyond Emotion verarbeitet die Gesichtserkennung lokal auf den Geräten der Kunden und sendet keine Aufnahmen auf Server. Auch die Tablets sind danach ausgewählt, dass sie keine Daten an die Hersteller weitergeben. 

Wer so ein Tablet für seine Angehörigen möchte, muss das Gerät kaufen und dazu ein Abo für die Software abschließen. Was das am Ende kosten wird, steht noch nicht fest. Bei Release soll das Produkt erst mal an private Haushalte gehen. Die Ausstattung von Pflegeeinrichtungen ist auch geplant, allerdings erst in der Zukunft.


Autor

Startup City Hamburg

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