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Zahlreiche Startups haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel zu leisten. Besonders faszinierend ist der Ansatz von Colipi aus Hamburg: Dieses Unternehmen nutzt Mikroorganismen für die Herstellung von nachhaltigen Ölen, die beispielsweise Palmöl ersetzen können. Und dabei wird sogar noch CO2 gebunden.

© Colipi: das Team im Labor

In Hamburg entsteht eine echte Palmölalternative

Palmöl ist aus deutschen Haushalten kaum wegzudenken, laut der Umweltschutzorganisation WWF ist es in jedem zweiten Supermarktprodukt enthalten. Vor allem die Produzenten von Margarine, Süßigkeiten, Wasch- und Reinigungsmitteln können auf Palmöl kaum verzichten. Das Problem: Zu selten stammt es aus nachhaltigem Anbau, viel zu oft werden dafür wertvolle Regenwälder gerodet und durch Monokulturen ersetzt. Das schadet der Biodiversität und dem Klima. Das Startup Colipi, das an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) entstanden ist, schickt sich nun an, eine nachhaltige Alternative auf den Markt zu bringen und setzt dabei auf natürliche Fermentationsverfahren.

Einer der Gründer von Colipi ist Philipp Arbter. Der gebürtige Krefelder studierte Biotechnologie in Berlin, Lafayette (USA) und München. Für seine Bachelorarbeit beschäftigte er sich erstmals mit der Herstellung von Lipiden (Fetten) durch Hefe. 2016 kam Philipp zum Institut für Bioprozess- und Biosystemtechnik der TUHH. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich damit, wie man biotechnologische Verfahren zur Produktion spezieller chemischer Verbindungen mit elektrochemischen Verfahren koppeln kann, um sie effektiver und nachhaltiger zu gestalten. Auch dort stand die Ölproduktion mithilfe von Hefen im Mittelpunkt, und er stellte fest, dass sich dieses Verfahren im industriellen Maßstab bis dahin nicht durchgesetzt hatte. Vielen potenziellen Kunden war es schlichtweg nicht bekannt, andere scheuten das finanzielle Risiko, das mit der Etablierung einer neuen Technologie verbunden ist.

Risikobereitschaft gehört bekanntlich zur Grundausstattung jedes ambitionierten Startups, ebenso eine erfolgversprechende Idee. Bei Colipi bestand die zunächst darin, Öle durch Fermentation herzustellen. Dabei kommen Hefen zum Einsatz, die Zucker aus industriellen und landwirtschaftlichen Abfallprodukten verwerten. Nachdem insbesondere Stickstoff und Phosphate verbraucht sind, stoppt das Wachstum und mit dem verbleibenden Überangebot an Kohlenstoff werden Lipide gebildet. Diese Lipide lassen sich anschließend isolieren und sind, je nach Hefe-Art, vielen pflanzlichen Ölen sehr ähnlich. Es wäre aber auch möglich, völlig neue Lipide zu kreieren, die für bestimmte Anwendungsfälle besser geeignet wären als bisher bekannte Öle.

© Colipi: die Gründer Jonas Heuer, Max Webers, Philipp Arbter und Tyll Utesch

Die TUHH als Keimzelle für Colipi

Das Potenzial ist also enorm. Um es gebührend auszuschöpfen, braucht ein Startup wie Colipi Teammitglieder mit sich ergänzenden Kompetenzen. Max Webers kennt Philipp bereits aus seiner Zeit in Berlin. Max hat ebenfalls Biotechnologie studiert und zusätzlich Management und bringt somit wissenschaftliches und wirtschaftliches Know-how zusammen. Im Team ist er für Fragen der Organisation und Kommunikation zuständig. Die beiden anderen Mitgründer, Tyll Utesch und Jonas Heuer, stammen vom Institut für Bioprozess- und Biosystemtechnik der TUHH. Tyll hat dort 2019 promoviert. Bei Colipi ist er für die Umsetzung der CO2-Neutralität verantwortlich. Jonas teilte sich zeitweise ein Büro mit Philipp und verfasste seine Doktorarbeit über die enzymatische Nutzung von CO2. Er kennt sich zudem mit Produktentwicklung aus und hat ein Praktikum bei einem Kosmetikunternehmen absolviert. Schließlich kümmert er sich noch um die Regulatorik.

Erste Aufmerksamkeit erregte Colipi bei einer Präsentation im Rahmen des von der TUHH getragenen Programms Calls for Transfer. Es hat das Ziel, Hochschulprojekte in die Welt der Wirtschaft zu überführen und unterstützt sie dabei mit bis zu 30.000 Euro. Ende 2020 war Colipi im ersten Anlauf bei der Beantragung einer Förderung durch EXIST-Forschungstransfer vom Bundeswirtschaftsministerium gescheitert. Mit der neuen Unterstützung auch durch die von den Hamburger Hochschulen initiierten Plattform beyourpilot funktionierte es dann Mitte 2021 beim zweiten Versuch. Im November 2021 flossen die ersten Fördergelder, um eine Ölproduktion im industriellen Maßstab anzustreben.

© Colipi: Die Zukunft der Ölproduktion findet hier statt.

Ein neues Verfahren verspricht noch mehr Nachhaltigkeit

Bis dahin ist es noch ein langer Weg und die ursprünglich angewendete Fermentation ist langfristig auch nicht die beste Lösung. Bei dem Verfahren entsteht nämlich CO2, was dem ursprünglichen Klimaschutzgedanken widerspricht. Deshalb arbeitete das Colipi-Team bereits seit längerem an einer Methode, um das überschüssige Gas mithilfe bestimmter Bakterien zu binden. Hier betrat es echtes Neuland und hat sich das Verfahren inzwischen sogar patentieren lassen. Dabei ist die Gasfermentation, wie die Methode auch genannt wird, nichts grundsätzlich Neues. Es existieren verschiedene Varianten, die eines gemeinsam haben: Immer sind Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffoxide (CO/CO2) im Spiel. Colipi setzt aerob lebende Bakterien ein, also solche, die für ihren Stoffwechsel auch auf Sauerstoff (O2) angewiesen sind.

Durch Gasfermentation lassen sich allerlei nützliche Rohstoffe herstellen. Bei seiner Forschung fand Colipi heraus, dass dazu auch Öle gehören. Das heißt in der Konsequenz, dass das Startup zukünftig auf den Umweg über die Fermentation durch Hefe verzichten und unmittelbar die Bakterien für die Lipiderzeugung einsetzen könnte. Das aktuell noch hauptsächlich angewendete Verfahren stellt also eine Art Brückentechnologie dar und wird momentan nur deshalb präferiert, weil hier eine Skalierung innerhalb weniger Jahre möglich scheint. Bei der Gasfermentation kann es dagegen bis zu zehn Jahre dauern, bis größere Mengen realisierbar sind.

"Hamburg hat eine Tradition als Kaufmannstadt, in der unter anderem auch Öle gehandelt werden. Zugleich setzt sie auf Wasserstoff für die Technologien der Zukunft. Mit unserem Verfahren zur Herstellung nachhaltiger Öle schlagen wir von Colipi die Brücke von der Tradition in die Zukunft."
Max Webers, einer der Gründer von Colipi
© Colipi: Das Team hat Spaß.

Beste Zukunftsaussichten für Colipi

Vielleicht geht es auch etwas schneller, wenn die Fördergelder weiter so fließen wie zuletzt. Ende April 2023 gab es einen kräftigen Nachschlag aus dem EXIST-Fördertopf. Zusätzliche 2,9 Millionen Euro wurden bewilligt, die Gesamtsummer erhöht sich damit auf 4,1 Millionen Euro. Damit kann Colipi sein Team ausbauen und Forschung und Entwicklung weiter vorantreiben. Als erste Kunden hat das Startup unternehmen aus den Bereichen Kosmetik und Reinigungsmittel im Visier. Hier sind die Genehmigungsverfahren weniger kompliziert als in der Lebensmittelbranche.

Wenn es um die Verarbeitung von CO2 geht, fällt oft das Stichwort „Direct Air Capture“, also die Entnahme von Kohlendioxid direkt aus der Luft. Die kann allerdings nicht auf der grünen Wiese stattfinden, dafür ist die Konzentration des Gases für den heutigen Stand der Technik dort zu gering. Die Umgebung von Industrieanlagen bietet einen geeigneteren Standort, weil dort der CO2-Anteil in der Luft höher liegt. Die Versorgung mit Wasserstoff könnte auch eine Rolle spielen, ein möglicher Vorteil für Hamburg, das auf die Förderung von Wasserstofftechnologien setzt.


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Startup City Hamburg

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