Welches ist das beste Alter zum Gründen? Eine MIT-Studie hat das einmal bei Anfang 40 verortet, aber die Gründer von MyTaag beweisen, dass man auch wesentlich früher erfolgreich sein kann. Sie legten bereits als Schüler los, holten sich einen Deal bei „Die Höhle der Löwen“ und konnten für ihre digitale Visitenkarte schon viele namhafte Kunden gewinnen, zuletzt alle BMW Niederlassungen in Deutschland.
Manche wissen schon sehr früh, dass sie einmal Unternehmer werden und ihr eigenes Startup gründen wollen. Einer von ihnen ist Davis Zöllner. Schon als er noch aufs Gymnasium ging, war er auf der Suche nach Gleichgesinnten, die sich wie er auf ein Gründungsabenteuer einlassen wollten. Dafür nahm er an verschiedenen Business-Events teil und lernte bei einem von ihnen Berkay Canikran kennen. Der stellte dort ein Digitalprodukt vor, das Davis sofort begeisterte.
Eine wohlbekannte Technologie für die moderne Visitenkarte
Die Grundidee ist so simpel wie überzeugend. Auch wenn die Visitenkarte aus Papier insgesamt auf dem Rückzug ist, werden immer noch enorme Mengen von ihnen gedruckt. Die Rede ist von weltweit deutlich über 100 Milliarden Stück pro Jahr. Dabei haben sie eine Reihe von Nachteilen. Zunächst ist da der hohe Papierverbrauch, der in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle spielt, zunehmend kritisch betrachtet wird. Auch ist der praktische Nutzen einer Visitenkarte begrenzt. Wenn man sie braucht, ist sie oft nicht auffindbar und unterwegs sowieso nicht zur Hand. Außerdem verliert sie schnell an Aktualität: Mal ändert sich der Firmenname, mal die Adresse, mal der Jobtitel, und die Personalfluktuation in Unternehmen macht ebenfalls häufige Neudrucke erforderlich.
Für vieles gibt es heutzutage eine digitale Alternative, warum also nicht auch für die Visitenkarte? Eine solche hat Berkay entwickelt. Dabei bedient er sich der NFC-Technologie. NFC steht für Near Field Communication und für ein Verfahren, das längst in unseren Alltag Einzug gehalten hat. Bestes Beispiel ist das kontaktlose Bezahlen an der Supermarktkasse, bei dem eine Karte nur kurz an ein Lesegerät gehalten wird. Auch Handys sind mittlerweile NCF-fähig, die ersten Modelle kamen bereits 2008 auf den Markt. Zum Einsatz kommen dabei RFID-Transponder (RFID ist die Abkürzung für Radio Frequency Identification), eine Art Kombination aus Mikrochip und Minisender, der auf kurze Distanz funktioniert. Für unser Kartenbeispiel werden passive Transponder verwendet, die keine eigene Energie benötigen, sondern diese über das Lesegerät beziehen. Man nennt sie auch Tags.
Der Begriff findet sich auch in MyTaag wieder, dem Namen, den Davis und Berkay ihrem Startup gaben. Im Januar 2020 hatten sie sich kennengelernt, bereits gut drei Monate später, am 18. April, erfolgte ihr Markteintritt. Hier hatten sich offensichtlich zwei gefunden, die richtig Gas geben wollten. Es gab nur einen Haken: Davis war zu diesem Zeitpunkt nicht volljährig. Wer noch keine 18 Jahre alt ist, gilt laut Bürgerlichem Gesetzbuch grundsätzlich als beschränkt geschäftsfähig. Doch Ausnahmen sind möglich. Hierzu bedarf es zunächst der Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters, in der Regel die Eltern. Im zweiten Schritt entscheidet dann ein Familiengericht, ob der minderjährigen Person die Genehmigung zur Unternehmensgründung erteilt werden kann. Bei Davis dauerte es insgesamt sechs Monate, bis er das Gericht endgültig überzeugen konnte, dass er die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt. Auf den 18. Geburtstag zu warten wäre für ihn keine Alternative gewesen: „Wenn ich etwas mache, dann zu 100 %“, lautet sein Motto.
Ein Rekord bei „Die Höhle der Löwen“
Die Geschichte von Startup-Schülern stieß in den Medien auf einiges Interesse. Auch die Redaktion der Gründershow „Die Höhle der Löwen“ wurde auf MyTaag aufmerksam. Im Frühjahr 2021 machten sich Davis und Berkay auf den Weg von Hamburg nach Köln, wo die Sendung aufgezeichnet wird. Um 4 Uhr morgens fuhren sie los. Unterwegs überdachten sie noch einmal ihr Wunschangebot und setzten es mit 50.000 Euro für 30 % so niedrig an, dass deutlich wurde: Hier sind zwei Gründer, die wirklich einen Deal wollen.
Und so kam es dann auch. Dabei stellten sie gleich noch einen Rekord auf: Mit damals 17 und 18 Jahren waren sie die jüngsten Gründer, die jemals in der Show erfolgreich waren. Als Investor konnten sie Carsten Maschmeyer gewinnen, der von dem Duo ebenso überzeugt war wie von dem Produkt. Die Ursprungsversion von MyTaag ist ein Aufkleber mit dem Transponder, der alle wichtigen Kontaktinformationen überträgt. Inzwischen gibt es auch eine physische Visitenkarte mit Transponder und die Möglichkeit der Datenübertragung per App und QR-Code. Der entscheidende Vorteil ist in jedem Fall, das bei Änderung der Daten keine neue Karte produziert werden muss, sondern die Aktualisierung digital erfolgt.
MyTaag wächst
Der Auftritt in der Show wurde dann im Oktober 2021 ausgestrahlt und brachte den gewünschten Werbeerfolg. Dass daraus mehr als ein bloßes Strohfeuer wurde, liegt auch an der guten Zusammenarbeit mit Maschmeyer und seiner Investmentfirma seed + speed, die sich auf B2B-Software-Startups in ihrer frühen Phase spezialisiert hat. Das Team steht für Fragen jederzeit zur Verfügung, aber auch der Chef hilft bei strategischen Fragen mit seinem Know-how und einem großen Netzwerk weiter. Gespräche mit Maschmeyer müssen allerdings in der Regel vorab geplant werden. Kein Problem für Davis, der nichts den Zufall überlässt und den Tag stets durchtaktet. Er kümmert sich als um das Geschäftliche, während Berkay das Produkt weiterentwickelt.
Mit der Zeit ist die Software von MyTaag immer komfortabler und umfangreicher geworden. So lassen sich die Daten nicht nur zentral verwalten, was für Unternehmen attraktiv ist, sie werden auch zunehmend für Vertriebszwecke genutzt. Das Angebot hat inzwischen um die 50.000 Kunden in über 70 Ländern überzeugt, darunter viele bekannte Namen. Mit dem Logistikunternehmen DB Schenker und dem Immobilienunternehmen Engel & Völkers wurden Pilotprojekte erfolgreich abgeschlossen, auch der Medienkonzern RTL, zu dem der Sender VOX und damit die Show „Die Höhle der Löwen“ gehört, nahm schon die Dienste von MyTaag in Anspruch.
BMW Niederlassungen sorgen für Meilenstein
Besonders stolz ist das Startup auf einen Kunden aus der Automobilbranche. Im April 2022 startete die BMW Niederlassung München, die weltweit größte der BMW Group, einen Test mit der digitalen Visitenkarte von MyTaag. Der verlief so erfolgreich, dass im Juni 2023 alle weiteren BMW Niederlassungen in Deutschland nachzogen. Das von Carsten Maschmeyer propagierte Prinzip „schneller, höher, weiter“ scheint sich hier zu bewahrheiten. Dementsprechend erfreut äußert sich der Investor zu dem Geschäftsabschluss: „Glückwunsch an MyTaag! Mit den BMW Niederlassungen als Kunden trifft Tradition auf Innovation und Freude am Fahren auf Freude am Vernetzen. Über die Entwicklung seit dem Deal in der Höhle der Löwen bin ich sehr glücklich. Mit den digitalen Visitenkarten geht es weiter steil nach oben!”
Auf dem Weg, die Visitenkarte aus Papier überflüssig zu machen, hat MyTaag also einen großen Schritt gemacht. Trotzdem ist der Weg noch lang, weshalb sich das Startup ganz darauf konzentriert, sein Geschäft mit der digitalen Visitenkarte im deutschsprachigen Raum weiter auszubauen. Ursprüngliche Überlegungen, die NFC-Technologie auch in anderen Bereichen einzusetzen, wurden längst ad acta gelegt. Auch so gibt es viel zu tun für das inzwischen elfköpfige Team. Vielleicht wird es demnächst noch einmal deutlich wachsen, wenn es MyTaag gelingt, seine erste größere Finanzierungsrunde abzuschließen. Auch dafür gibt es kein bestes Alter, nur beste Argumente.