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Wenn es um die Digitalisierung des Modehandels geht, führt kaum ein Weg an Fashion Cloud vorbei. Das Hamburger Startup hat sich in den vergangenen acht Jahren eine führende Rolle in Europa erarbeitet und ist ungeachtet der Krisen in der Branche weiter auf Wachstumskurs.

©Fashion Cloud

Ein europäischer Accelerator brachte Fashion Cloud auf Erfolgsspur

SpeedUP! Europe war der Name eines Accelerators der Europäischen Union, der unter anderem die Open Source-Plattform FIWARE populär machen sollte. Wichtigster Standort des Förderprogramms war Hamburg. Im Februar 2015 gestartet, ist das Projekt mittlerweile ziemlich in Vergessenheit geraten, für einige Hamburger Startups hat es sich allerdings als Sprungbrett zu einer erfolgreichen Geschäftsentwicklung erwiesen. Zu ihnen gehören Breeze, Sponsoo, die 50.000 Euro Preisgeld erhielten, und vor allem Fashion Cloud. Das Jungunternehmen, welches damals noch Look Local hieß, sicherte sich im November 2015 den mit 200.000 Euro dotierten 1. Platz. SpeedUP! Europe war auch einer der Gründe, warum sich das Startup für den Standort Hamburg und nicht für Berlin entschieden hatte. René Schnellen, einer der Gründer und bis heute Geschäftsführer von Fashion Cloud, nennt noch weitere:

"Bei der Wahl zwischen Hamburg und Berlin war für uns entscheidend, dass die Stadt als Handelsmetropole eine große B2B-Tradition hat. Uns gefiel auch das hanseatische, bodenständige. Und schließlich konnten wir in Hamburg und der Region viele Kontakte in unserer Branche knüpfen, das wäre in Berlin nicht möglich gewesen."
René Schnellen, Co-Founder von Fashion Cloud
© Fashion Cloud: die Gründer Florian Klemt, Martin Brücher und René Schnellen

Vielfältige Lösungen für den Modehandel

Die Branche, die Fashion Cloud bedient, ist der Modehandel. Bereits während der Zeit bei SpeedUP! Europe konnte das Startup mit dem Modehaus Ramelow aus Elmshorn einen ersten Kunden für sich gewinnen. Wie viele andere stationäre Händler auch suchte das Traditionsunternehmen nach einem Weg, sich gegen die Internet-Konkurrenz wie Zalando zu behaupten und ein eigenes Online-Geschäft aufzubauen. Fashion Cloud lieferte dafür die Produktbilder und -beschreibungen.

Mit dieser Geschäftsidee hatten die drei Gründer, zu denen neben René Schnellen noch Martin Brücher und Florian Kemt gehören, offensichtlich einen Nerv getroffen. René war zuvor bereits als Unternehmensberater in der Modebranche aktiv gewesen. Martin war ebenfalls beratend tätig, mit dem Fokus auf dem Energiesektor, und Florian ist der Softwareexperte. Sie sollten nicht lange zu dritt bleiben, bereits im Frühjahr 2017 zählte das Team rund 20 Mitglieder. Es hatte damals über 200 Modemarken im Portfolio und Kunden in rund 20 Ländern. Mit der Clara App kam zudem das zweite Produkt von Fashion Cloud auf den Markt.

Zurzeit umfasst das Angebot vier zentrale Bereiche:

  • Content-Bereich der Web-Plattform : Er macht es Modemarken möglich, Marketingmaterialien und Produktdaten über einen zentralen Zugang mit ihren Händlern zu teilen. Der Handel kann das Material einfach online herunterladen oder Produktdaten automatisch in IT-Systeme, wie Webshops oder Warenwirtschaftssysteme, integrieren.

  • Order-Bereich der Web-Plattform: Dieser Bereich ermöglicht die lieferantenübergreifende Order bei teilnehmenden Marken. Ähnlich einem B2B Online-Shop können Händler Artikel über verschiedene Kategorien hinweg oder nach speziellen Marken suchen und mit wenigen Klicks ordern.

  • Clara: So heißt die App von Fashion Cloud, mit der Verkäufer:innen die aktuellen Lieferverfügbarkeiten von Waren ermitteln und diese direkt im Verkaufsgespräch nachbestellen können.

  • OrderWriter: Diese App erleichtert die Ordererfassung für Einkäufer:innen. Sie erhalten mit der App einen visuellen und finanziellen Überblick über bereits bestellte Artikel - im Showroom und bei der späteren Nachverfolgung. Egal, wann und wo die Informationen benötigt werden - die App funktioniert online und offline.

© Fashion Cloud: die Clara-App im Einsatz

Fashion Cloud übernimmt niederländische Unternehmen

Die OrderWriter-App wurde ursprünglich von dem niederländischen Unternehmen Nyon entwickelt. Im Herbst 2018 kam es zur Fusion mit Fashion Cloud, wodurch das Hamburger Startup mit einem Schlag zu einem internationalen Player wurde, mit einem zusätzlichen Standort in Amsterdam. Als weiterer Geschäftsführer kam Nyon-Gründer David Schaap an Bord. Alies ter Kuile, die ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung wurde, stammt auch aus dem Nyon-Stall. Zum Zeitpunkt der Fusion verband Fashion Cloud mehr als 350 Mode- und Schuhmarken mit 4.500 Einzelhändlern und über 18.000 Points of Sale in 60 Ländern. Das neu formierte Team bestand jetzt aus gut 50 Personen.

Nyon blieb nicht das einzige Unternehmen aus den Niederlanden, das Fashion Cloud übernehmen sollte. Im Juli 2021 folgte mit Stockbase ein weiterer führender Anbieter von Lösungen für den E-Commerce. Über Stockbase teilten Marken ihre Bestände und Artikeldaten, um ihr Sortiment direkt in den Onlineshops von Händlern darzustellen. Händler konnten auf diese Weise ihr virtuelles Produktangebot erweitern, ohne die Ware selbst auf Lager halten zu müssen. Dieser Service stellte eine sinnvolle Ergänzung zu dem bestehenden Angebot von Fashion Cloud dar.

© Fashion Cloud: das Management-Team René Schnellen, Alies ter Kuile und David Schaap

Die Pandemie als Wachstumstreiber und 25 Millionen Euro

Die Übernahme erfolgte zu einem Zeitpunkt, als sich der Onlinehandel in einer längeren Erfolgsphase befand, bedingt durch die Folgen der Covid-Pandemie. Die erwies sich für Fashion Cloud als Wachstumstreiber. Viele stationäre Händler mussten quasi über Nacht auf das Onlinegeschäft umsteigen. Von März bis Mai 2020 konnte das Startup mehr Neukunden gewinnen als im gesamten Jahr 2019, die Downloads lagen in dieser Zeit bis zu 800 % über den Vorjahreswerten. Ebenfalls eine Reaktion auf die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen war die Digital Fashion Week, eine Online-Modemesse, die Fashion Cloud im Juli 2020 veranstaltete. Im folgenden Jahr gab es eine zweite Ausgabe.

Das stetige Wachstum machte das Startup natürlich auch für Investoren interessant. Bereits im Juli 2019 konnte Fashion Cloud eine Finanzierungsrunde im hohen siebenstelligen Bereich verkünden, im Dezember 2022 folgte dann der ganz große Wurf. 25 Millionen Euro gab es von der europäischen Beteiligungsgesellschaft Verdane und einer Reihe von Bestandsinvestoren. Fast zeitgleich erfolgte eine bedeutende Zäsur bei dem Erfolgsunternehmen. Die Mitgründer Martin Brücher und Florian Kemt zogen sich aus dem operativen Geschäft zurück, die Geschäftsführung reduzierte sich damit auf René Schnellen, Alies ter Kuile und David Schaap.

© Fashion Cloud: Markus Dielmann, neues Mitglied des Sales-Teams

Für Fashion Cloud ist die Krise auch Chance

Der Modehandel, online wie stationär, befindet sich im Umbruch, regelmäßig sorgen Insolvenzen etablierter Händler und Marken für Schlagzeilen. Zu den prominentesten Beispielen zählen Reno, Görtz, Peek & Cloppenburg und Orsay, die teils ihr Geschäft noch weiterbetreiben können, teils komplett aufgeben mussten. Trotzdem oder gerade deshalb war 2022 bisher das erfolgreichste Geschäftsjahr für Fashion Cloud. Die aktuellen Zahlen beeindrucken: 115 Mitarbeitende mit über 25 Nationalitäten, mehr als 20.000 Händler in knapp 90 Ländern, über 600 angeschlossene Marken und Kunden wie Hugo Boss, Marc Cain, Scotch & Soda, Zalando, Engelhorn und Breuninger.

René Schnellen sieht die aktuelle Krise im Modehandel eher als Chance für Fashion Cloud. Der Druck zur Veränderung, zur Digitalisierung sei größer denn je, und das Startup biete geeignete Lösungen. Für den Wachstumskurs steht auch die neueste Personalie. Seit dem 1. April verstärkt Markus Dielmann das Sales-Team. Der Experte für die Schuhbranche soll Fashion Cloud auch in diesem Bereich noch weiter nach vorn bringen. Wo andere dunkle Wolken heraufziehen sehen, erkennt Fashion Cloud den Silberstreif am Horizont.


Autor

Startup City Hamburg

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