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Kein anderes Hamburger Startup hat in den letzten Jahren eine so rasante Entwicklung hingelegt wie 1KOMMA5°. Mit seinen Angeboten zur Energiewende trifft das von Philipp Schröder gegründete Unternehmen den Nerv der Zeit und durch seine Übernahmestrategie beschleunigt es sein Wachstum. Jetzt wurde es zum Einhorn, also zu einem Startup mit Milliardenbewertung.

© 1KOMMA5°: Philipp Schröder, Gründer und CEO

Energie ist Philipp Schröders Leitmotiv

Das Thema Energieversorgung beschäftigt Philipp Schröder schon sehr lange. Aufgewachsen auf einem Bio-Bauernhof in der Lüneburger Heide, engagierte er sich in der Jugend in der Anti-Atomkraft-Bewegung. 2008 gründete er zusammen mit Dominic Briggs Nycon Energy, schon damals mit dem Ziel, Alternativen zur klassischen Ölheizung anzubieten. Damit konnte er sich damals noch nicht durchsetzen. 2011 erfolgte deshalb der Wechsel ins Angestelltenverhältnis zu JUWI, einem Unternehmen, das auf den Bau und den Betrieb von Wind- und Solarparks spezialisiert ist.

Ein Jahr später wechselte Philipp zu sonnen, einem Produzenten von Speichern für aus Sonnenenergie gewonnenem Strom. Für seinen neuen Arbeitgeber war er auch in Kalifornien unterwegs, wo er die Aufmerksamkeit von keinem geringeren als Elon Musk erregte. Die brachte ihm einen Job ein, der bis heute fast wie ein zweiter Vorname in kaum einem Betrag über ihn fehlt: Tesla-Manager. Mit großem Erfolg baute er das Deutschland-Geschäft des US-Unternehmens auf, doch seine Leidenschaft gehörte nach wie vor mehr der Energie- als der Automobilbranche. Also kehrte er 2015 zu sonnen zurück und setzte dort seine Erfolgsgeschichte fort.

Bei all dem Einfluss, den er bei sonnen hatte, war er dort doch nur Angestellter und nicht Unternehmer. Also machte er sich 2018 erneut selbstständig und wechselte mit seinem Startup CAPinside in die Fintech-Szene. Dort war die Idee, Menschen den Zugang zu Anlageklassen zu verschaffen, die ihnen bisher verwehrt waren und dabei Blockchain-Technologie einzusetzen. CAPinside gibt es heute noch, während Philipp Schröder im Juli 2021 zu seinem Lieblingsthema zurückkehrte. Zusammen mit Philipp Liesenfeld (COO, Ex-JUWI), Jannik Schall (CPO, Ex-sonnen) und Michael Grüber (CFO, Ex-CAPinside) gründete er 1KOMMA5°. Er hatte also vertraute Weggefährten um sich geschart, um richtig durchzustarten.

© 1KOMMA5°: der Flagship Store

Die Unternehmensmarke 1KOMMA5° ist gewissermaßen Programm, bezieht sie sich doch auf ein auf der UN-Klimakonferenz 2015 festgelegtes Ziel. Demnach wird angestrebt, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem Wert zu Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssen Anstrengungen auf allen Ebenen erfolgen, nicht zuletzt bei der Energieversorgung in Privathaushalten. Wie mühsam das ist, verdeutlichen die heftigen Diskussionen um die Pflicht zur Wärmepumpe in den letzten Wochen.

1KOMMA5° will den Wechsel zu erneuerbaren Energien so einfach wie möglich machen, und da die Zeit drängt, war der Kurs von Anfang an auf schnelles Wachstum ausgerichtet. Schließlich möchte das Unternehmen alles aus einer Hand anbieten, von der Beratung und Planung über die Installation bis zum Stromvertrag und Wartungsservice. Aus sich selbst heraus kann ein gerade gegründetes Startup das alles nicht nur mit den eigenen Ressourcen in kürzester Zeit entwickeln.

Also machte sich 1KOMMA5° gleichzeitig auf Partnersuche und Einkaufstour. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Handwerksbetriebe, welche die Wärmepumpen, Solaranlagen und Ladestationen für Elektroautos installieren können. Dementsprechend standen sie auf der Einkaufsliste des Startups ganz oben. Ziel war es zunächst, mit diesen Betrieben möglichst flächendeckend präsent zu sein. Das ist in Deutschland inzwischen weitgehend erreicht, die Zahl der Bewerbungen übersteigt deutlich die der Zukäufe.

© 1KOMMA5°: das Energiemanagement-System Heartbeat

Erfolge im In- und Ausland

Es hat sich nämlich herumgesprochen, welche Vorteile die Zugehörigkeit zur 1KOMMA5°-Familie bringt. So zum Beispiel bei den Einkaufspreisen, die für Einzelkämpfer naturgemäß höher liegen als für eine Gemeinschaft. Das Startup kann mit seinem Komplettpaket und einem modularen Konzept zudem Dienstleistungen erbringen, die bei klassischen Betrieben oft nicht möglich sind, etwa im Bereich der Digitalisierung. Handwerk trifft auf Technologie, lautet das Motto. „Wir entfesseln sie“, sagt Philipp Schröder und nennt als Beispiel einen Betrieb aus Göttingen, der nach der Übernahme seinen Jahresumsatz von 3 auf 20 Millionen Euro steigern konnte. Dementsprechend liegt der Wachstumsfokus jetzt auf den bestehenden Dependancen in Deutschland, weniger auf zusätzlichen Akquisitionen.

Längst ist 1KOMMA5° auch im Ausland aktiv und erobert dort einen Markt nach dem anderen. So ist das Unternehmen bereits in Schweden, Finnland, Italien und sogar Australien erfolgreich. Neuester Streich ist die gerade erst verkündete Übernahme des dänischen Unternehmens Viasol, das Marktführer im Bereich Solarenergie in dem skandinavischen Land ist. Viasol soll dort unter anderem die von 1KOMMA5° entwickelte Heartbeat-Technologie einführen.

Heartbeat ist ein Energiemanagement-System, das die Möglichkeit bietet, den Betrieb verschiedener Hardwarekomponenten wie Wärmepumpen und Ladestationen bestmöglich aufeinander abzustimmen. Durch das Wissen über die Solarstrom-Eigenerzeugung, die Wetterprognose und die Strompreisentwicklung kann der Verbrauch in die Zeitfenster verschoben werden, in den genügend Solarstrom vorhanden oder der Preis besonders niedrig ist.

© 1KOMMA5°: bei der Eröffnung des Flagship Stores

1KOMMA5° schreibt ganz große Zahlen

Gestartet mit vier Mann, zählt 1KOMMA5° inzwischen mindestens 1.200 Mitarbeitende an fast 60 Standorten und meldet regelmäßig rekordverdächtige Umsatzsteigerungen, sodass die Zahlen von heute schon morgen ziemlich veraltet sind. 2022 lag der Umsatz bei knapp über 200 Millionen Euro, für das laufende Geschäftsjahr ist von einem Umsatzziel von bis zu 600 Millionen Euro die Rede. 2030 soll der Umsatz gar bei 10 Milliarden Euro liegen, erzielt durch die klimafreundliche Umrüstung von 500.000 Gebäuden.

Auch wenn sich vieles durch den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens finanziert, ist ein solch fulminantes Wachstum ohne Investoren nicht möglich. Und auch da hat 1KOMMA5° eine Rekordzahl aufzuweisen, zumindest was die Hamburger Startup-Szene betrifft. Im Frühjahr 2022 sorgte die Meldung über eine Finanzierungsrunde in Höhe von 200 Millionen Euro für Schlagzeilen. Beteiligt waren unter anderem Investmentfirmen wie Porsche Ventures und b2venture, namenhafte Familiy Offices und der prominente Manager Jan Klatten. Im Juni 2023 wurde dann Realität, was schon seit dem Frühjahr spekuliert wurde: Dank einer Serie-B-Finanzierungsrunde in Höhe von 215 Millionen Euro erreichte 1KOMMA5° den Status eines Einhorns, also eines Startups mit Milliardenbewertung. Alle großen Bestandsinvestoren sowie der Clean Tech-Investor G2VP aus dem Silicon Valley waren beteiligt. Ein Börsengang innerhalb der nächsten zwei Jahre liegt laut Presseberichten im Bereich des Möglichen.

 

Damit würde 1KOMMA5° endgültig zum Vorzeigeunternehmen des Hamburger Startup-Ökosystems. Trotz der Internationalisierung schlägt das Herz nämlich nach wie vor in der Hansestadt, mit rund 200 Beschäftigten an vier Standorten. Prunkstück ist zweifellos der Flagship Store am Ballindamm direkt an der Binnenalster. Dort können sich Kund:innen über das Angebot informieren und sich individuell beraten lassen. Schließlich gleicht kein Haushalt dem anderen.

Wenn der Gründer Philipp Schröder einen Wunsch frei hätte, dann einen klareren und entschlosseneren Kurs Richtung Klimaneutralität in der Politik. Dem Standort Hamburg stellt er dagegen ein positives Zeugnis aus:

"Hamburg ist viel besser als sein Ruf. Wir haben hier ein gutes Umfeld für unser Unternehmen und die Stadt verbreitet eine tolle Atmosphäre. Daher werden wir unsere Mitarbeiterschaft hier weiter ausbauen."
Philipp Schröder, Gründer 1Komma5°

Autor

Startup City Hamburg

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