Universal Quantum baut den Computer der Zukunft
Wenn es um neueste technologische Entwicklungen geht, schaut die Welt in der Regel zuerst auf die USA und China. In einem Bereich lohnt sich auf jeden Fall aber auch ein Blick auf Hamburg: Quantencomputing. Das Startup Universal Quantum ist an einem Projekt beteiligt, das einen weltweit konkurrenzfähigen Quantencomputer hervorbringen soll.
Quantencomputer überwinden das binäre System von Nullen und Einsen
Der IBM-Manager Thomas J. Watson soll 1943 gesagt haben: „Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird.“ Belegt ist dieser Satz nicht und zudem längst milliardenfach widerlegt. „Quantencomputer wird es niemals beim Elektronikhändler im Regal geben“, erklärt Oliver Blume, Geschäftsführer von Universal Quantum Deutschland. Diese Aussage ist verbürgt und begründet durch die außerordentliche Komplexität der Quantenmechanik.
Trotzdem gilt Quantencomputing als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Herkömmliche Rechner arbeiten mit Bits, die entweder den Zustand 0 oder 1 haben. Bei Quantencomputern gilt diese binäre Beschränkung nicht, hier sind mehrere sich überlagernde Zustände parallel möglich, der Fachbegriff hierfür lautet Superposition. Für Physiklaien ist das schwer nachvollziehbar, aber die praktische Konsequenz verstehen auch sie: Quantencomputer sind um ein Vielfaches schneller als bereits existierende sogenannte Supercomputer. 2019 behauptete eine von Google beauftragte Forschungsgruppe, eine Berechnung in 200 Sekunden durchgeführt zu haben, die sonst 47 Jahre gedauert hätte. Allerdings wurden Sinnhaftigkeit und Allgemeingültigkeit des Prozesses angezweifelt, und vom Konkurrenten IBM kam der Einwand, auch mit etablierten Methoden könne man die Berechnung in 2,5 Tagen durchführen.
Der Google-Rechner hatte eine Kapazität von 53 Qubits. Ein Qubit ist gewissermaßen die Maßeinheit für die Leistungsfähigkeit eines Quantencomputers und trotz seiner Namensähnlichkeit nur sehr bedingt mit dem Bit zu vergleichen. Das bisher erreichte Maximum liegt bei etwas mehr als 1.000 Qubits. Angestrebt sind aber Werte im sechs- oder gar siebenstelligen Bereich. Wer bei diesem Rennen die Nase vorn haben wird, ist völlig offen. Die USA und China werden auch hier sicherlich eine führende Rolle spielen, aber auch Startups wie Universal Quantum haben eine Chance. Ein entscheidender Faktor ist das Verfahren, mit dessen Hilfe Qubits implementiert werden können.
Universal Quantum lockt Ionen in die Falle
Häufig wird mit supraleitenden Schaltkreisen gearbeitet, doch hier sind der Skalierbarkeit physikalische Grenzen gesetzt. Erforderlich ist zum Beispiel eine Abkühlung fast bis auf das absolute Temperaturminimum von 0 Kelvin (-273,15 Grad Celsius). Das muss zudem im Vakuum und unter Einsatz von Lasertechnologie erfolgen, was die Herausforderung noch erheblich größer macht. Universal Quantum setzt deshalb auf Ionenfallen. Hier werden Ionen, also elektrisch geladene Teilchen, unter Kontrolle gebracht und für Qubits genutzt. Universal Quantum gelingt das bereits bei einer Temperatur 70 Kelvin und strebt mittelfristig eine normale Raumtemperatur an. Damit hat sich das Startup in eine führende Position gebracht.
Zu verdanken ist das vor allem dem Mitgründer Winfried Hensinger, einem der Pioniere des Quantencomputings. Seine Leidenschaft für die Physik wurde durch die Science-Fiction-Serie Star Trek und das dort übliche „Beamen“ geweckt. Seine akademische Laufbahn führte ihn über Heidelberg, Australien und die USA an die University of Sussex, wo er seit 2005 forscht und lehrt. 2015 entwickelte er dort eine Methode, Ionenfallen mit Mikrowellen anstatt eines Lasers herunterzukühlen. Einer seiner begabtesten Studenten und inzwischen selbst Physikprofessor ist Sebastian Weidt. 2017 veröffentlichten Sebastian und Winfried den ersten praktischen Entwurf für einen groß angelegten Quantencomputer auf Basis von Ionenfallen, ein Jahr später gründeten sie gemeinsam Universal Quantum.
Von Sussex nach Hamburg für ein 200-Millionen-Projekt
Der Unternehmenssitz war und ist in Sussex; dass 2022 Hamburg als weiterer Standort hinzukam, ist auch Oliver Blume zu verdanken. Der Seriengründer hat seine Karriere als Unternehmer im Alter von 20 Jahren begonnen und unter anderem mit der Kette easyApotheke den deutschen Apothekenmarkt aufgemischt. Sein Hauptbetätigungsfeld ist die Immobilienbranche, Ende 2024 sorgte er mit dem Kauf des maroden Fernsehturms in Hannover für Schlagzeilen. Daneben beschäftigte er sich auch immer wieder mit Zukunftsthemen wie eben Quantencomputing. Von Beginn an hatte er den Wunsch, Universal Quantum auch in Deutschland anzusiedeln. Eine Voraussetzung dafür war, dass die Politik das Thema aufgreifen würde.
Der Durchbruch kam im Sommer 2020, als die Bundesregierung ein Konjunktur- und Zukunftspaket für Quantentechnologien mit einem Volumen von 2 Milliarden Euro schnürte. Davon sollte auch Hamburg profitieren, das auf wissenschaftlicher Ebene zur Weltspitze gehört. Das richtungweisende Projekt zur praktischen Umsetzung startete im Herbst 2022. Da verkündete das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Rahmen seiner Quantencomputing-Initiative (QCI) die Vergabe eines Auftrags zur Weiterentwicklung der Ionenfallen-Technologie. Zur Verfügung stehen insgesamt 208,5 Millionen Euro. Ziel des Projekts ist der Bau von skalierbaren Quantencomputern. Ausgangspunkt ist ein Modul mit einem Quantenprozessor mit der Leistungsfähigkeit von zehn Qubits. Der Clou ist die Kombinierbarkeit der Module, was zu einer Struktur mit tausenden von Qubits führen soll. Universal Quantum entwickelt die Prototypen zusammen mit einem Konsortium der Unternehmen NXP Semiconductors (Hamburg) eleQtron (Siegen) und Parity Quantum Computing (München).
Das Projekt ist nicht das einzige der QCI. Parallel werden weitere Technologieansätze getestet, um zu erforschen, welche Vorgehensweisen für welche Fragestellungen am geeignetsten sind. Erste Ergebnisse sollen spätestens nach vier Jahren vorliegen, nach heutiger Rechnung also bereits Ende 2026. Das ist recht optimistisch kalkuliert. Oliver Blume meint, Universal Quantum brauche noch mindestens sechs Jahre für die erste wirtschaftliche Anwendung eines Quantencomputers, im größeren Stil eher zehn. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig: die Entwicklung neuer Medikamente gehört dazu, komplexe Planungen für Logistik und Verkehr oder die Steuerung der Energiewende. Ein leistungsstarkes Gerät würde dann preislich im dreistelligen Millionenbereich liegen.
Ein großes Ökosystem als Schlüssel zum Erfolg
Das ist eine Größenordnung, die deutlich macht, dass Quantencomputing keine Angelegenheit von Garagenstartups ist. Zumindest gilt das für die Hardware, weil für die Produktion große Hallen erforderlich sind. Im Softwarebereich werden sich allerdings Möglichkeiten auch für kleinere, weniger stark finanzierte Unternehmen bieten. Entscheidend für den Erfolg der Technologie wird sein, ein eigenes Ökosystem dafür aufzubauen, wobei auch die Politik gefordert ist. Hamburg kann da mit seiner Science City eine wichtige Rolle spielen. Dieser gerade entstehende neue Stadtteil, der Wissenschaft und Wirtschaft vereinen soll, war auch ein wesentlicher Grund, warum Universal Quantum in den tecHHub eingezogen ist.
Der tecHHub spricht zwar in erster Linie Startups Startups aus den Bereichen Medizin und Biotechnologie an, bietet durch seine Lage in der Science City aber genügend Anknüpfungspunkte zu den dort ansässigen Forschungseinrichtungen. Ein Unternehmen wie Universal Quantum kann sich sowieso nicht auf einen einzigen Standort fokussieren. Zu rar gesät sind die Expert:innen in Sachen Quantenphysik, das Team hat dementsprechend überall auf der Welt Mitglieder. Immerhin 30 von ihnen sind in Hamburg beschäftigt, um hier neue Maßstäbe in der Computertechnologie zu setzen.