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Wie passen Landmaschinen zu einer Millionenstadt wie Hamburg? Sehr gut, wie das Startup E-FARM beweist. Schließlich vereint es auf seiner Handelsplattform die kaufmännische Tradition der Hansestadt mit fortschrittlicher Technologie. Erst kürzlich war das einer Reihe von Investoren 11 Millionen Euro wert.

© E-FARM

Marktlücke erkannt, E-FARM gegründet

Nein, der Ökonom Dr. Nicolas Lohr ist nicht als Kind schon mit dem Trecker zur Schule gefahren und ist auch nicht auf dem Bauernhof aufgewachsen. Mit der Landwirtschaft ist er erst durch seinen Beruf in Berührung gekommen. Zunächst war er als Unternehmensberater für Mercedes tätig und lernte dabei das Konzept von Truck Store kennen, welches den Abverkauf gebrauchter LKW von Vertragshändlern fördert. Truck Store definiert sich als Netzwerk und bietet sowohl dem Konzern als auch seinen Händlern eine Reihe von Vorteilen. So erhöht sich die Chance für Mercedes einen neuen LKW zu verkaufen, da sich die Händler weniger Sorgen um die gebrauchten Fahrzeuge machen müssen, die sie in der Regel im Zuge der Geschäftsabwicklung in Zahlung zu nehmen haben.

Als Nicolas dann für einen weltweit führenden Landmaschinenhersteller tätig wurde, stellte er fest, dass es dort einen ähnlich funktionierenden Marktplatz wie Truck Store nicht gab. Dabei läuft das Geschäft bei Traktoren oder Mähdreschern ganz ähnlich wie bei Lastkraftwagen. Auch hier gibt es eine Nachfrage sowohl nach neuen wie gebrauchten Geräten. Ein eigenes Unternehmen war bis dahin nicht zwingend ein Lebenstraum von Nicolas gewesen, doch die Möglichkeit, hier eine Marktlücke zu schließen, war zu verlockend. Also gründete er Anfang 2015 E-FARM.

© E-FARM: Nicolas Lohr feiert die Partnerschaft mit Claas

Erste Schritte und der große Durchbruch

Der Transaktionsmarktplatz sollte eine Reihe von Problemen lösen: mangelnde Preistransparenz, Einschränkungen auf den lokalen Märkten, versteckte Maschinenmängel und sogar Betrug. E-FARM sollte einen neuen Weg gehen, um Zahlungs- und Transportsicherheit, Kosteneffizienz und persönlichen Service europaweit zu gewährleisten. Den ersten Markteintritt hatte das Startup mit 15 Landmaschinen, allesamt Exklusivangebote. Das brachte noch nicht den erwünschten Erfolg, weshalb E-FARM auf Exklusivität verzichtete und dafür eine größere Auswahl anbieten konnte. Mittlerweile arbeitet E-FARM mit über 1.000 Partnerhändlern zusammen.

2016 kamen Franz von Consbruch, der bis heute als einer von zwei Geschäftsführern agiert, und Kaspar Sternberg, zuständig für Sales, zum Kernteam hinzu. Beide sieht Nicolas bis heute als Mitgründer, da sie maßgeblich zur Entwicklung von E-FARM beigetragen haben. 2018 hatte sich das Unternehmen mit einem Umsatz von 6 Millionen Euro schon recht gut etabliert. 2019 folgten dann der endgültige Durchbruch und die Anerkennung für die bisher geleistete Arbeit. Als strategischer Minderheitsgesellschafter stieg der Landmaschinenhersteller Claas ein. Das Unternehmen, das in diesem Jahr seinen einhundertsten Geburtstag feiert, ist einer der weltweiten Marktführer seiner Branche und betreibt sein eigenes Gebrauchtmaschinengeschäft. Hier ergaben sich also für beide Beteiligten sinnvolle Synergien.

© E-FARM: Gründer und CEO Nicolas Lohr

Investments in einen weltweiten Markt

Kein Wunder daher, dass Claas ein Jahr später bei der Serie-A-Finanzierungsrunde in Höhe von 4,5 Millionen Euro erneut beteiligt war. Hinzu kamen die schwedische Investmentfirma byWit und der deutsche AgTech-Investor Amathaon Capital. Den bisherigen Höhepunkt stellte die Anfang Juni verkündete Serie-B-Finanzierungsrunde über insgesamt 11 Millionen Euro dar, an der sich erneut die drei Bestandsinvestoren beteiligt haben.

Für Investoren besonders attraktiv ist die Tatsache, das E-FARM einen riesigen Markt bedient, und das weltweit in 65 Ländern. 95 % des Umsatzes erzielt es allerdings in 15 europäischen Kernmärkten. Allein in Europa beträgt das Marktvolumen 30 Milliarden Euro mit einer Zielgruppe von rund 10 Millionen Landwirt:innen. Die internationale Ausrichtung war von Beginn an Teil des Geschäftskonzepts. Das liegt auch daran, dass spezielle Landmaschinen nicht so leicht beim Händler um die Ecke zu finden sind wie beispielsweise ein Golf im Automobilbereich. So kann es durchaus sein, dass ein norddeutscher Bauer bei einem Anbieter aus Spanien fündig wird.

© E-FARM: Teambuilding bei einer Reise nach Sizilien

E-FARM bietet einen umfassenden Service

Ein mittlerweile rund 40-köpfiges Team, das zu zwei Dritteln in Hamburg ansässig ist, begleitet den gesamten Verkaufsprozess. Zunächst können potenzielle Käufer:innen über eine Suchmaske eingeben, an was für einer Art von Landmaschine sie interessiert sind. Dabei können sie bestimmte Marken und Modelle präferieren und detaillierte Vorgaben zur Motorleistung, Ausstattung, Standort und einer Reihe weiterer Kriterien machen. Findet sich ein passendes Angebot, können die Kund:innen eine Inspektion buchen, bei welcher der tatsächliche Zustand der Geräte überprüft wird.

Nach Erstellung eines Gutachtens kommt es in gut 60 % der Fälle zu einem Auftrag. Die komplette Geschäftsabwicklung läuft dann über E-FARM. Das Startup kauft das Gerät zu Konditionen ein, die eine Kostenersparnis von bis zu 20 % einbringen können. Für die Kund:innen ergibt sich daraus zudem der Vorteil, für alle weiteren Dienstleistungen, etwa rund um den Transport und die Abrechnung, nur einen Ansprechpartner zu haben. Dabei läuft vieles noch telefonisch ab. In Zukunft sollen die Prozesse weitestgehend digitalisiert werden, unter anderem über eine SmartTrade-App.

© Claas: E-FARM macht 50 % seines Umsatzes mit Traktoren

Es gibt noch viel Potenzial

Für moderne Landwirt:innen gehört das Smartphone genauso zum Alltag wie der Traktor, daher sind sie mit Marketingaktion in den sozialen Medien gut zu erreichen. Auf Facebook hat E-FARM über 200.000 Fans. Im Vergleich dazu wirkt die Zahl von bisher etwas über 2.500 verkauften Landmaschinen klein, doch ist zu bedenken, dass in diesem Markt andere Preise gezahlt werden als bei Gebrauchtwagen. Der durchschnittliche Warenkorb liegt bei 60.000 Euro, für spezielle Mähdrescher werden auch schon mal Beträge von einer halben Million bezahlt.

Seit 2016 ist der jährliche Umsatz im Durchschnitt um 100 % gewachsen. Für 2023 ist eine Zahl von 1.000 Transaktion durchaus realistisch. Denkbar wäre es, den Handel mit gebrauchten Geräten auch auf andere Bereiche auszuweiten. Bei E-FARM steht das aber in absehbarer Zeit nicht auf der Tagesordnung, zu groß sind noch die Wachstumsmöglichkeiten bei den Landmaschinen. Vielmehr ist das Ziel, die Konvertierung im Anschluss an die Gutachtenerstellung weiter zu erhöhen und das Serviceangebot auszubauen und um Finanzierungsmöglichkeiten zu erweitern. Auch weitere Partnerschaften mit Unternehmen vom Schlage Claas liegen im Bereich des Möglichen.

Auch wenn E-FARM, wie eingangs erwähnt, auf den ersten Blick nicht wie ein typisches Hamburger Startup erscheint, ist für den Gründer Nicolas Lohr, seines Zeichens Ur-Hamburger, die Hansestadt genau der richtige Standort. Und das längst nicht nur wegen der Handelstradition:

"Fachkräfte sind überall heiß begehrt, da zählt jedes Argument, um sie für sein Unternehmen zu gewinnen. Eines unserer besten Argumente ist die Stadt Hamburg mit ihrer hohen Lebensqualität. Unser Team hat Mitglieder aus über 25 Nationen. Das zeigt, welche Strahlkraft Hamburg auch international hat!"
Dr. Nicolas Lohr, Gründer E-FARM

Autor

Startup City Hamburg

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