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Nur wenige Hamburger Startups sind weltweit erfolgreich. Zu ihnen gehört Vivere, trotzdem ist das Unternehmen selbst kaum bekannt ist. Für den stetig steigenden Umsatz sorgen Eigenmarken, bei deren Entstehung Datenanalyse eine wichtige Rolle spielt. Aber auch große Kunden klopfen inzwischen bei den Hamburgern an.

© Vivere: das Unternehmen produziert alles in Hamburg

Es begann mit einem Mittel gegen Kater

AfterAlc ist der Name einer rezeptfreien Brausetablette, die bis heute in Apotheken, bei Amazon und einigen anderen digitalen Marktplätzen erhältlich ist. Wie der Name erahnen lässt, soll sie die Folgen übermäßigen Alkoholkonsums abmildern. Die verspüren in der Regel Teilnehmer an einem Junggesellenabschied. Anlässlich einer solchen Sause kamen die Freunde Sebastian Johnston und Christopher Glatzel auf die Idee, ein Mittel gegen Kater zu entwickeln.

Der Legende nach passte der erste Rezeptentwurf auf einen Bierdeckel, doch die Umsetzung erwies sich als wesentlich komplizierter. Monate vergingen bei der Suche nach dem geeigneten Lohnhersteller und die erste Version von AfterAlc erwies sich als ungenießbar. Irgendwann war das Produkt dann aber marktreif und erzielte erfreuliche Umsätze, wobei sich Amazon als geeigneter Vertriebskanal erwies. Für etwa fünf Jahre blieb das Anti-Kater-Mittel ein lukrativer Nebenverdienst für die Gründer, dann entschlossen sie sich ihr gesammeltes Know-how über Konsumgüter in ein neues Unternehmen einfließen zu lassen.

© Vivere: in der Forschungsabteilung

Vivere entwickelt seine Produkte datengetrieben

Bei Vivere, gegründet Ende 2018, sollte allerdings vieles anders werden als bei AfterAlc. Die Brausetabletten waren das Ergebnis eines persönlichen Erlebnisses, buchstäblich eine Bauchentscheidung. Bei vielen Startups ist das der Ausgangspunkt für eine Erfolgsgeschichte, oft werden persönliche Bedürfnisse aber auch überschätzt und nicht von einer für genügend großen Kundenzahl geteilt. Bei Vivere steht am Anfang der Produktentwicklung daher immer eine Recherche im Internet. AfterAlc hatte sich bei Amazon nicht zuletzt deshalb ordentlich verkauft, weil es über bestimmte Suchbegriffe gut gefunden wurde.

Das Grundprinzip ist simpel und allgemein bekannt. Man gibt ein Stichwort wie „Gesichtspflege“ bei Google ein und lässt sich anzeigen, welche Begriffskombinationen besonders gefragt sind. Sie bezeichnen offensichtlich Probleme, für die viele Menschen eine Lösung suchen. Im nächsten Schritt ermittelt das Team von Vivere dann, ob es eine solche Lösung in Produktform bereits gibt. Oft ist dies der Fall, aber manchmal offenbart sich eine Marktlücke, die das Startup schließen kann.

© Vivere

Alles bei Vivere ist „Made in Hamburg“

Es ist also kein Zufall, dass Vivere unter dem Namen Belly eine Reihe von Pflegeprodukten für Hunde im Programm hat, mit Repell Shield eine Marke mit Mitteln gegen Ungeziefer oder ein Spray, das Sportler:innen einen sicheren Griff bei ihren Sportgeräten bietet. Gemeinsam ist allen Produkten eine Rezeptur, die sich auf natürliche und vegane Zutaten beschränkt. Ein Kriterium, das heutzutage bei vielen Suchanfragen eine wichtige Rolle spielt.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist weit weniger üblich und selbstverständlich: Alle Produkte werden in Deutschland entwickelt und hergestellt, genauer gesagt, ausschließlich in Hamburg. Grund dafür ist die Erfahrung mit AfterAlc. Damals dauerte die Produzentensuche und anschließende Abstimmung viele Monate, heute vergehen von der ersten Idee bis zum Markteintritt zuweilen weniger als zehn Wochen.

Möglich macht das eine Reihe von Maschinen, die Vivere sich in den letzten Jahren angeschafft hat. Angefangen hat es mit einer halbautomatischen Abfüllpumpe, mittlerweile verfügt das Startup über 14 Maschinen, die sich vor allem für die Herstellung von Produkten aus den Bereichen Kosmetik, Körperpflege und Nahrungsergänzungsmittel eignen. Für alles, was „fließt oder rieselt“, wie es das Unternehmen selbst definiert. Oder was in eine Tube passt, denn zur Ausstattung gehört auch eine Tubenfüllmaschine.

© Vivere: Christopher Glatzel (Co-Founder) und Dr. Roland Harste (CEO)

Internationalität wird großgeschrieben bei Vivere

Den meisten Umsatz macht Vivere immer noch in Deutschland, doch das internationale Geschäft gewinnt immer mehr an Bedeutung. Besonders gut läuft es in UK, auch in so unterschiedlichen und komplizierten Märkten wie den USA, Saudi-Arabien und China konnte das Unternehmen schon Fuß fassen. Neben den Eigenmarken sorgen Aufträge wie der des Fitness-Konzerns Zumba für Wachstum. Angefangen hat es in Wiesbaden, aus privaten Gründen erfolgte bald der Wechsel nach Hamburg. Insgesamt ist Vivere schon dreimal umgezogen, stetig steigender Platzbedarf machte das erforderlich. Momentan verfügt das Startup über eine Fläche von 2.500 Quadratmetern, hauptsächlich für Produktion und Lagerung. Und selbst das wird auf Dauer nicht reichen, sollte die Entwicklung so weitergehen wie bisher.

Die internationale Ausrichtung von Vivere spiegelt sich auch in der Teamzusammensetzung wider. Die zumeist hochqualifizierten, mit zahlreichen akademischen Titeln ausgezeichneten Mitarbeitenden kommen aus den unterschiedlichsten Ländern, Firmensprache ist deshalb Englisch. Dr. Roland Harste, der 2021 zu Vivere gekommen und die Position des CEO und Geschäftsführers übernahm, ist allerdings ein echter Norddeutscher. Aufgewachsen ist er in Eckernförde und sein Studium hat er in Hamburg absolviert. Zwischenzeitlich arbeitete er in Tirol für das Traditionsunternehmen Swarowski. Auch bei ihm spielten private Gründe eine Rolle für die Rückkehr nach Hamburg, ebenso wie die Aussicht, als zusätzlicher Co-Founder unternehmerische Akzente setzen zu können.

© Vivere

Alle Zeichen stehen auf Wachstum

Die ersten Schritte hat Vivere noch ohne fremdes Kapital machen können. Als klar wurde, dass die Anschaffung diverser Maschinen für die Umsetzung der Unternehmensziele erforderlich war, begann die Suche nach Investoren. Die erwies sich als weniger zeitaufwendig als erwartet, war eher eine Frage von Wochen als von Monaten. Inzwischen sind in mehreren Runden über 10 Millionen Euro in das Unternehmen geflossen. Ein Hauptinvestor ist die Schweizer VC-Firma Redalpine, beteiligt sind unter anderem auch der Xing-Gründer Lars Hinrichs und Uwe Sommer, ehemaliger Vorstand des Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli.

Wenn alles wie geplant läuft, wird Vivere schon bald eine neue Finanzierungsrunde verkünden können. Das würde das Wachstum, das bisher rund 50 % Jahr für Jahr betrug, weiter beschleunigen. Die Kapazitäten dafür sind auf jeden Fall vorhanden, bei Bedarf kann Vivere von bestimmten Produkten bis zu 500.000 Einheiten pro Monat herstellen. Das könnte bei einem eventuellen Einstieg in den Einzelhandel Realität werden, dort ist das Unternehmen bisher noch gar nicht vertreten.

Wohin auch immer die Reise bei Vivere geht, am Standort Hamburg wird das Unternehmen auf jeden Fall festhalten. Die hohe Lebensqualität der Stadt macht sie attraktiv für die internationalen Fachkräfte. Aber auch die heimischen Hochschulen wie die Technische Universität Hamburg sorgen für Nachschub an Talenten. Bei der Konfektionierung seiner Produkte hat Vivere zudem schon häufiger die Dienste der Elbe-Werkstätten in Anspruch genommen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen. Und vom Firmensitz mitten im Stadtteil Wilhelmsburg sind von Weitem der Hafen und die Elbphilharmonie zu sehen. Mehr Hamburg geht kaum.

„Hamburg ist eine sehr offene und freundliche Stadt, was es uns leicht macht, Talente aus aller Welt für unser Unternehmen zu gewinnen. Von Vorteil ist auch Hamburgs Tradition als Handels- und Hafenstadt in Bezug auf die Beschaffung der Rohstoffe für unsere Produkte.“
Christopher Glatzel, Co-Founder von Vivere

Autor

Startup City Hamburg

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